Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
einzigen Geräusche waren die gedämpften Schritte ihrer Katze Maggie.
»Miau.«
Ihrer Schwester Cathy gefiel es nicht, dass Lizzy allein lebte. Also hatte sie ihr vor zwei Jahren eine Katze zum Geburtstag geschenkt. Lizzy, die damals keine Katze wollte, hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um Maggie auf Distanz zu halten. In den ersten sechs Monaten hatte sie dem Tier jeglichen Zugang zu ihrem Schlafzimmer verwehrt. Aber Maggie war eine hartnäckige Katze und gab nicht auf. Irgendwann hatte sie dauerhaft einen breiten Polstersessel in Beschlag genommen, der in Lizzys Schlafzimmer in der Ecke stand. Der Sessel gehörte jetzt Maggie. Außerdem war die Katze Lizzys Wecker. Jeden Morgen weckte sie ihr Frauchen mehr oder weniger pünktlich um sechs Uhr auf.
Lizzy gestand sich nur widerwillig ein, dass Cathy recht gehabt hatte. Wieder einmal. Denn wenn Lizzy ehrlich war, musste sie zugeben,dass sie nicht wusste, was sie ohne Maggie tun würde. Maggie war für sie Freundin, Familie und Lebensinhalt zugleich … ein weiterer Grund, warum sie immer noch eine Therapie nötig hatte.
Maggie schlich um ihre Füße herum, schlang ihren Schwanz um eins von Lizzys Beinen und miaute. Sie hatte Hunger.
»War heute jemand hier, Maggie?«
»Miau.«
Lizzy trat ein und knipste das Licht an. »Okay, wenn du meinst.« Sie verschloss die Tür, hängte die Kette ein und schob den Riegel vor.
Das Telefon klingelte.
Ruckartig fuhr sie herum und richtete die Pistole auf die Küchentheke, wo das Telefon stand. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und ging langsam auf das Telefon zu. Einen Augenblick lang starrte sie nur darauf und ließ es klingeln. Schließlich entschied sie sich dafür, das hartnäckige Läuten einfach nicht zu beachten und stattdessen Maggie zu füttern.
Lizzy legte die Pistole auf die Theke und öffnete die Kühlschranktür. Sie wollte keinen Gedanken daran verschwenden, wer der Anrufer sein könnte. Lass es einfach klingeln, sagte sie zu sich selbst. Sie hatte Angst davor, was passieren würde, wenn sie die Möglichkeit in Betracht zog, dass der Spinnenmann wieder dran war.
Sie nahm eine offene Dose Katzenfutter vom zweiten Regal und schaufelte das, was noch übrig war, mit einer Gabel auf einen Glasteller. Dabei brachte sie es sogar fertig, eine kleine Melodie zu summen. Endlich hörte das Telefon auf zu klingeln.
Gott sei Dank.
»Hier, das ist für dich, Süße.« Sie streichelte Maggies weiches Fell.
Plötzlich klingelte das Telefon wieder.
Verdammt noch mal.
»Also gut, Spinnenmann«, sagte sie laut. »Bringen wir es ein für alle Mal hinter uns.« Sie nahm den Hörer ab. »Was wollen Sie von mir!«
»Lizzy, bist du das? Hier ist Jared.«
Lizzy konnte auf einmal nicht klar denken. Sie war nur noch ein Nervenbündel. »Jared Shayne?«
»Genau der. Lizzy, wie geht’s dir?«
Eine Woge von Gefühlen schwappte über sie hinweg. Sie hatte Jared schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Vielleicht ein Dutzend Mal, seit der Spinnenmann sie vor vierzehn Jahren niedergeschlagen und in sein Versteck verschleppt hatte. Und dann war sie ihm entkommen. Nach zwei Monaten in der Hölle gelang ihr die Flucht, indem sie ihr Hirn einsetzte. Sie hatte überwiegend Worte benutzt, viele Worte. Alles Blödsinn. Sie hatte den Mörder eingelullt; er hatte tatsächlich geglaubt, dass sie Gefühle für ihn empfand. Ein uralter Trick. Und dann war sie ihm entwischt.
Ausgerechnet jetzt, nur wenige Wochen nachdem ihr Therapeut ihr bescheinigt hatte, dass sie Fortschritte machte, rief der Spinnenmann an. Und auf einmal meldete sich Jared ebenfalls bei ihr.
Ein bloßer Zufall? Oder einfach nur schlechtes Timing?
Wenn sie es schaffte, nachts mehr als zwei Stunden zu schlafen, würde sie vielleicht wie ein normaler Mensch funktionieren.
Sie rieb sich die Schläfen. Nacht für Nacht hörte sie nichts als dieses endlose Stöhnen, Weinen, Sägen und Bohren. Damals hatte sie nichts dagegen tun können, und jetzt auch nicht.
»Lizzy, bist du noch da?«
Jeden einzelnen Tag stellte sie sich dieselbe blöde Frage: Was müsste geschehen, damit sie wieder ein normales Leben führen konnte? Und jeden Tag hatte sie darauf dieselbe Antwort parat: Sie würde erst dann wieder ruhig schlafen können, wenn sie hundertprozentig sicher sein konnte, dass der Spinnenmann tot war.
»Lizzy?«
»Tut mir leid, Jared. Bist du das wirklich?«
»Ja, ich bin’s, Lizzy. Entschuldige bitte, dass ich mich nicht schon früher gemeldet habe.
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