Im Niemandsland
Beschützer der Prinzessin mürrisch.«
»Prinzessin?« fragte Mythor und musterte die zerschlissene und schmutzige Arbeitskutte des jungen Mannes, der jetzt eine gezierte Handbewegung machte.
»Ich beschützte eine wunderschöne, überaus reiche und leidenschaftliche Prinzessin aus Sarphand. Leider gab es mehr Caer, als mein zischendes Schwert besiegen konnte, und so geriet ich in Gefangenschaft. Vorübergehend nur, versteht sich.«
»Versteht sich«, sagte Mythor und musste lachen. »Und deine Herrin? Auch in Gefangenschaft?«
»Weit gefehlt!« antwortete Arruf. »Während meine Waffen eine unübersehbare Schar von Caer in Schach hielten, konnte sie entfliehen. Sie ist in Sicherheit. Ich folge ihr nur vorübergehend auf diesem wenig standesgemäßen Weg.«
Mythor hob den Kopf zwischen den Steinen hoch, sah sich suchend um und bemerkte, dass niemand auf die beiden Männer aufmerksam geworden war. Einerseits fand er die Redensarten des angeblichen Arbeitssklaven erheiternd und humorvoll, andererseits konnte er ihm nicht allzu viel glauben. Er entschied, dieses Spiel eine Weile lang mitzumachen.
»Jeder von uns Fürsten reist unstandesgemäß«, sagte er. »Nicht nur du.«
»Hast du gesehen, wie das Mammut ausbrach?«
»Es hat mein Pferd aufgespießt und niedergetrampelt«, sagte Mythor. »Was weißt du davon?«
»Nicht viel. Ich wäre schon längst geflüchtet. Aber ich bin unter der Wirkung eines Zaubertranks gelähmt gewesen.«
»Jetzt stehst du nicht mehr unter seiner Wirkung?« fragte Mythor und war ziemlich sicher, dass ihn Arruf belog.
»Nein. Sehe ich so aus? Mein Auge funkelt klar, mein Verstand ersinnt ständig neue Dinge. Sie haben vergessen, mir diesen grässliche Trank wieder einzuflößen.«
»Ich glaube«, sagte Mythor nach einer Weile, »du lügst mir etwas vor.«
»Eine gute Lüge ersetzt zwei bis drei schlechte Wahrheiten«, entgegnete Arruf grinsend. »Ich als Eunuch muss es schließlich wissen.«
Mythors Grinsen wurde breiter. Er musterte die Erscheinung des anderen. Sie wirkte weder wie die eines Eunuchen noch wie die eines Arbeitssklaven. Edel war ein zutreffender Ausdruck dafür.
»Du und ein Eunuch!« spottete er. »Mit der dunklen Stimme?«
»Zu jeder zweiten Mahlzeit esse ich schwarze Kreide«, antwortete Arruf. »Daher die dunkle Stimme. Du glaubst mir nicht?«
Mythor erinnerte sich an das Gelächter, das er vergangene Nacht gehört hatte. Es hätte von Arruf stammen können.
»Ich glaube dir nicht viel«, sagte er leise. »Aber du könntest derjenige gewesen sein, der in der Nacht das Mammut gereizt hat.«
»Genau dieser Mann war ich. Es reizte mich, das Mammut zu reizen. Die Caer handelten daraufhin sehr gereizt.«
Mythor konnte sich nicht helfen. Er fand seinen neuen Reisebegleiter höchst angenehm und witzig. Die Muskeln schienen zu beweisen, dass Arruf kräftig und ein guter Kämpfer war. Zudem sprach Arruf ein ausdrucksvolles Gorgan.
»Verständlich, dass sie sich nicht freuten. Das schimmernde Schloss, auf das deine Sarphand-Prinzessin geflüchtet ist, steht am Oberlauf der Lorana? So und nicht anders muss es sein, denn sonst würdest du nicht diese unkommode Reise auf dem Steinfloß auf dich nehmen, großer Arruf!«
Arruf schien etwa so alt zu sein wie Mythor. Sein fast weißblondes Haar war im Nacken zusammengebunden und verschmutzt. Er schien unbewaffnet zu sein. Trotz seiner heiteren Reden wirkte er, als könne er sich wehren und durchsetzen.
Jetzt lachte er lautlos und antwortete: »So ähnlich ist es. Die Zeiten wechseln, und man ist einmal oben, einmal unten. Ich werde bald wieder oben sein.«
»Dazu«, spottete Mythor, »bietet unsere Floßfahrt zweifellos die beste Gelegenheit. Was weißt du von dem Vorhaben der Caer?«
»Nicht sehr viel. Sie schleppen ungeheure Mengen Steine flussaufwärts. Vermutlich wollen sie eine Mauer bauen.«
»Oder eine Treppe zum Schloss deiner Prinzessin. Du weißt nichts vom bevorstehenden Kampf der Lichtwelt gegen die Dunkelzone?«
»Ich beabsichtige nicht, daran teilzuhaben. Womit? Soll ich mit toten Fischen werfen?« Arruf schien sich über Mythor immer dann lustig machen zu wollen, wenn es Mythor ernst meinte.
»Du solltest das tun, was alle Verbündeten der Lichtwelt zu tun versuchen. Sie rüsten sich zu einem Kampf, der das Schicksal dieser Welt entscheidet. Auch du lebst in dieser Welt. Also ist es auch dein Schicksal. Du magst ein freiheitsliebender Abenteurer sein, aber in den nächsten Tagen geht es um weitaus
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