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Im Niemandsland

Im Niemandsland

Titel: Im Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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und Krachen, das Mythor zusätzlich erschreckte, brach eine gewaltige dunkle Masse aus der Mauer der Büsche und Krüppelbäume. Ein Orkan aus Knistern und prasselnden Geräuschen wurde entfesselt. Mythor sprang hinter den Baumstamm und sah zwei gekrümmte Stoßzähne schimmernd durch die Pflanzenreste stoßen. Ein Zahn bohrte sich in die Flanke des Pferdes, warf das Tier um, und krachend sauste der schlangengleiche Rüssel des Mammuts herunter.
    Unter den Fußtritten des Tierriesen brachen die Knochen des Pferdes. Das Mammut beachtete Mythor nicht im geringsten und stürmte weiter durch die Nacht, auf seinem Weg dicke Baumstämme umlegend und Büsche zermalmend.
    Das Pferd zuckte einige Male mit den Hinterläufen und starb lautlos. Mythors Finger lösten den Griff um das Gläserne Schwert. Er stand starr da und lauschte in die Dunkelheit hinein. Wasser plätscherte leise. Ebenso undeutlich waren die Arbeitsgeräusche zu hören. Das einzig laute Geräusch war das rasende Trampeln des wildgewordenen Mammuts, das flussaufwärts davonstürmte. Nicht weit entfernt ertönte Gelächter.
    Mythor bückte sich und hob die Tasche auf. Der Helm der Gerechten war unversehrt, und der zusammengeschmolzene Vorrat an Essen und der fast leere Weinschlauch waren ebenso vorhanden. Mythor seufzte erleichtert und überlegte eine Weile, dann zuckte er die Schultern und legte sich wieder auf die Satteldecke.
    »Ein zweites Mammut wird mich wohl nicht zertrampeln«, meinte er gleichmütig und wickelte den Mantel wieder um seine Schultern. Er schlief bis zum Morgengrauen, ohne dass ihn jemand störte.
    Dafür war sein Erschrecken größer, als er die aufgeregten Stimmen und die Schritte hörte, mit denen sich ein halbes Dutzend junger Männer den Weg entlang dem Ufer bahnte. Sie liefen auf der breiten Spur der Zerstörung, die das Mammut erzeugt hatte. Mythor raffte Mantel und Decke an sich und griff nach den Satteltaschen. Er rutschte dreißig Ellen weit den nassen Uferhang abwärts und sprang kopfüber in eine Gruppe kleiner Büsche. Über ihm verstummten die Schreie und Rufe.
    Sie haben das tote Pferd und den Caer-Sattel gefunden, dachte Mythor. Er spähte zwischen den Zweigen und den Blättern, die der Herbststurm an den Ranken gelassen hatte, hinauf.
    Zwei junge Männer kamen hervor und blickten sich um. Sie sahen genauso aus wie die Novizen des Dämonenpriesters aus dem Lager der Caer, wo Herzog Murdon erstochen worden war.
    »Und sie waren es, die das Mammut lenkten. Schon wieder Schwarze Magie! Diesmal geringeren Grades!« murmelte er und wartete schweigend und bewegungslos.
    Er hatte nichts anderes erwartet: Die Novizen suchten ihr entlaufenes Mammut und folgten seiner Spur. Bald hörten die Geräusche der Schritte und die Rufe der Männer auf.
    »Vom Reiter zum Fußsoldaten!« sagte sich Mythor und dachte nach. Seine Augen betrachteten jede Einzelheit der Vorgänge unter sich. Noch immer entluden die Caer ihre Schiffe und ließen die Flöße von Mammuts ziehen.
    Als Mythor weiter aufwärts, an einem steileren Stück Ufer, den einzelnen Baum sah, musste er grinsen. Der Baum hätte nicht günstiger stehen können. Über seine Wurzeln führten die Spuren der ungewöhnlichen Zugtiere, die Eindrücke waren halb voll Sickerwasser gelaufen. Und die Äste und Zweige des immergrünen Baumriesen hingen weit über das Wasser der Lorana.
    Noch etwas erkannte Mythor: Von dieser Stelle aus war der Fluss mit den Schiffen der Caer nicht mehr zu befahren. Das Wasser war zu flach, die Strömung war eher stärker als an der Stelle, an der sie die drei riesigen Mühlräder der seltsamen Arche antrieb.
    Hastig verschlang Mythor sein Essen. Er rollte die Decke und den Mantel eng zusammen und band sie mit den Satteltaschen zu einem Bündel. Dieses Bündel warf er über seine Schultern und schlich unbemerkt bis zu dem einzeln stehenden Baum. Rasch war er den Stamm aufwärts geklettert. Er tastete sich auf einigen breiten Ästen weit nach vorn. Die Äste bogen sich immer tiefer, und die traurig hinunterhängenden Zweige, die Peitschenschnüren glichen, berührten das Wasser.
    Mythor wartete, so gut wie unsichtbar. Er brauchte nicht lange auf seinem schwankenden Sitz auszuharren, dann kam seine Gelegenheit.
    *
    Das Mammut war riesengroß und stank nach faulendem Schlamm. Die hochgewölbten Stoßzähne waren stumpfgelb, ihre Spitzen liefen in zahllose Splitter aus. Der Rücken des Tieres, das schwankend und stöhnend heranstapfte, zeigte dunkles Grau, das in

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