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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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Die durchlochte Kalksteinscheibe aber bot sich förmlich als Wirtel an, der die beim raschen Drehen lockergewordenen Gewichtsteine am Bohrer ersetzen konnte. Während Peter wieder einmal von Evas Schwadenbrei aß, lobte er das neue Werkzeug.
    Am nächsten Tag hängte Eva zwei Langstäbe mit Asthaken links und rechts an den Tragstab ihres stehenden Webrahmens und ließ sie in ein stärkeres Querholz ein, das als Kammstab mit ihnen zusammen den Innenrahmen zum Hin- und Herbewegen der Zweierfäden abgeben sollte. Dann aber kam eine neue Geduldsprobe: Für die Zinken des Schiebekammes, an deren Enden jeder zweite Faden gespannt werden sollte, mußten viele kleine Löcher in diesem Kammstab gebohrt werden. Die Zinken selbst durften anderthalb Finger lang sein. Eva bezeichnete die Länge durch eine tiefe Kerbe, und dort brach sie das Stück, das sie brauchte, ab. Dann hielt sie sein eines Ende vorsichtig in die Flamme und schabte und schliff es so lange auf einer Schieferplatte, bis es genau in das vorgesehene Bohrloch paßte. Endlich war der erste Rahmen für die geraden Fäden fertig und bespannt. Jetzt kam der zweite Rahmen für die ungeraden an die Reihe. Damit ging's schon schneller. Und wieder fiel ihr eine Verbesserung ein. Sie wickelte einen Teil des Fadens um die Stäbchen und konnte so ein längeres Webstück anfertigen. Beide Rahmen versah sie mit nach unten gerichteten Asthaken, so daß sie mit den Füßen bedient werden konnten; auf diese Weise hatte sie die Hände frei für die Führung der Webnadel.
    Diese Webnadel bestand aus Schilf und hielt nicht viel aus. Darum bastelte Eva aus einem fingerdicken Holunderstab etwas Dauerhafteres. Die neue Nadel war länger, als das Gewebe breit werden sollte, und vor allem kräftiger. Sie lag auch gut in der Hand. Gehöhlt, abgeschliffen undgewachst ließ sich ein sehr langer, geknüpfter Faden bequem aufwickeln. Von der einen Hand geschoben, von der anderen gezogen, unter und zwischen den gekreuzten Fäden dahin, glich sie einem flinken, langen und schmalen Schiffchen – einem Webschiffchen.
    Evas Tag war genau eingeteilt. Frühmorgens untersuchte sie Krebsreuse und Fischnetz, nahm die Beute heraus, bereitete das Essen für den ganzen Tag, und was an Fischen übrig war, salzte sie ein und hängte es in den Rauch des Herdfeuers. Sie lüftete ihr Lager, kehrte die Stube, bestieg ihr längst verbessertes Floß und holte einen Topf voll Trinkwasser aus einem Quellbach, der in den Moorbach mündete. Auf dem Rückweg nahm sie mit, was sie an Beeren und Wildgemüse fand. Hatte sie so ihr Haus bestellt, dann trug sie den Webstuhl und den Sitzschemel, denPeter aus einem kurzen Baumstamm zurechtgehauen hatte, auf die Schattenseite ihres Randbodens und ließ das Webschiffchen durch die Fäden gleiten. In das gleichmäßige, leise Schlagen der Schiebrahmen mischte sich das Summen unzähliger Hummeln und Bienen, von den fernen Bachfällen klang gedämpftes Rauschen herüber.
     
     

Peters Töpferei
    Der Webstuhl wurde Evas Lieblingsgerät. Bei schönem Wetter arbeitete sie bis zum Einbruch der Dämmerung draußen auf dem Randboden vor der Hütte, bei Regen in der Stube, wo sie das Gerät an die offene Tür rückte. Dort war es am hellsten. Die beiden schulterbreiten, langen Mattenstreifen waren längst zu einem Kleid verarbeitet, das, an den Seiten mit Eichelspangen verbunden und in der Mitte von einem Gürtel zusammengehalten, bis unter die Knie reichte. Eva überlegte: Hatte sie zwei Kleider, dann konnte sie eines als Hemd anziehen, und hatte sie gar drei, dann konnte sie ein Hemd waschen, während sie das zweite trug. Sie schüttelte den Kopf: Drei Kleider oder Hemden – nein, das wäre zu viel des Übermuts, wo doch der Bastvorrat zu Ende war! Dafür lernte Eva etwas anderes: Die langen, bandartigen Blätter der Rohrkolben ließen sich in welkem Zustand vorzüglich in den Webstuhl spannen. Rascher als das Bastgewebe wuchsen die Binsenmatten, deren breite Streifen Eva aneinanderheftete und als Unterlage in ihr Bett legte. Die Felle, die sie vorher benützt hatte, breitete sie über den Fußboden, der eine so unbehagliche und ungesunde Kälte ausstrahlte.
    Jedesmal, wenn sie sich krank fühlte, meinte sie, das sei eine Strafe Gottes, weil sie ihr Gelübde nicht erfüllt hatte. Sie nahm sich vor, das versprochene Goldopfer körnchenweise zusammenzusuchen und die Gottheit zu versöhnen. Langsam fuhr sie in der Gegenströmung am Ufer entlang zur Moorbachmündung. Und als ob der

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