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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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Einäugel! Zum ersten Mal! Aber Eva lachte nur und freute sich.
    Von nun an ging es sichtlich aufwärts. Das Füchslein, es war ein Weibchen, begann Fleisch zu fressen und wurde immer kräftiger. Peter brachte ihm von jeder Fahrt und jedem Ausgang einen Leckerbissen mit, bald einen Vogel, bald die Eingeweide eines größeren Beutetieres, und ließ es darauf ankommen, daß Einäugel ihn um das Futter anbettelte, ja, er verbot Eva, die Füchsin zu füttern; das Tier sollte sich von ihm und nur von ihm abhängig fühlen. Um Einäugels zunehmende Selbständigkeit einzudämmen,legte er ihr ein Lederhalsband um und führte sie an einer langen Leine aus Nesselschnur mit sich. Einäugel wehrte sich gegen diese Zumutung, ließ sich zerren und schleifen. Eva weinte und beschwor Peter, das Tierchen doch in Ruhe zu lassen. Ihre Bitten verhallten ungehört. Und Einäugel fand es bald bequemer, sich dem Willen des Stärkeren, des Herrn, zu fügen.
    Als im Spätsommer die stumpfe Schnauze spitz wurde und die junge Füchsin ihr graues Kinderkleid abgelegt hatte und einen rötlich schimmernden Pelz trug, gewöhnte sie sich, die Nase am Boden, vor dem Herrn zu schleichen, wenn er jagen ging. Sie führte ihn dem Winde entgegen an das Wild heran, das sich in Deckung niedergetan hatte und den Jäger oft erst wahrnahm, wenn er nahe genug war, den tödlichen Wurf zu wagen. Bald machte Einäugel die Erfahrung, daß sie von jedem erlegten Tier Blut, Leber und Lunge bekam. Sie schien zu begreifen, daß sie das Wild aufzuspüren hatte, damit ihr Herr es erlegen konnte. Die Herbstjagden machten den Fuchshund dem Jäger lieb und wert. Und ehe der Winter kam, teilte Einäugel mit dem Jäger sogar das warme Lager. Einäugel war Peters Genosse geworden und kümmerte sich um die ehemalige Pflegemutter wenig. Der Herr war ihr alles. Aus seiner Hand bekam sie ihr Futter, eng an seine Füße geschmiegt, schlief sie, auf seinen Ruf hört sie, ihr kluges Auge folgte jedem Wink seiner Hand. Wenn sie, freigelassen, sich zu weit entfernt hatte, schickte ihr Peter auf einem quer angeschnittenen Röhrenknochen einen gellenden Pfiff nach. Erst kam sie aus Neugierde, dann aber, weil sie dafür mit Leckerbissen belohnt wurde.
    Eines Tages war Einäugel erwachsen, selbständig, nicht mehr auf menschliche Hilfe angewiesen. Mächtig regte sich ihr angeborener Trieb zum Herumstreichen, wurde unwiderstehlicher. In einer mondhellen Nacht verließ sie das Lager ihres Herrn und suchte über das Eis des Moorsees insWeite zu gelangen. Peter aber, der die Angeln der Stubentür in ihren Weidenschleifen hatte knarren hören, eilte auf seinen knöchernen Schlittschuhen dem Flüchtling nach, holte ihn heim und legte ihn an die Leine. Morgens fand er die Füchsin eifrig damit beschäftigt, den Nesselstrick durchzubeißen. Da bekam sie plötzlich einen schweren Klaps von Peters Hand, zog die Lunte ein und verkroch sich zähnefletschend unter der Decke. Da sie in der nächsten Nacht wieder ausreißen wollte, flocht er aus Nesselschnüren und scharfkantigen Steinsplittern, die er darin verknotete, einen Strick. So, mochte sie sich daran die Zähne ausbeißen!
    In der wärmeren Jahreszeit hielt Einäugel getreulich zu Peter, sie jagte, soweit es ihre lange Leine erlaubte, in der Nähe seiner Öfen nach Mäusen und Heuschrecken, suchte sich Beerenobst und nahm bettelnd an Herrchens Mahlzeiten teil. Im Winter kam wieder die Unruhe über sie; Einäugel verstellte sich aber so gut, daß Peter ihr in der Stube die Leine abnahm. In einer frostigen Nacht gelang es ihr, über das Eis zu entfliehen, ohne daß ihr Herr es merkte. Dessen Verdruß war groß. Pfeifend und rufend durchstrich er auf seinen geflochtenen Schneeschuhen die winterliche Landschaft, traf wohl im Neuschnee auf Fuchsspuren und entdeckte zwei neue Fuchsbaue. Aber er konnte weder im hartgefrorenen Boden graben, noch mochte er durch eine beköderte Steinfalle das Leben Einäugels gefährden.
    Um so größer war aber Peters Freude, als nach ungefähr zwei Wochen Einäugel ungerufen erschien. Wie aus dem Boden gewachsen stand sie neben ihm, als er gerade ein junges Wildschwein ausweidete. So, als sei nichts geschehen, setzte sie sich neben ihren Herrn und schnappte nach dem ersten Brocken, den er ihr hinhielt. Überglücklich streichelte er die Verlorengeglaubte, als er sie wieder an der Leine hatte und sie ihm auf dem Fuße folgte. Nach acht Wochen benahm sich Einäugel wiederum recht seltsam. InPeters Wohnstube, mitten im

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