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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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Der Bau lag im Geröll, das mit zähem Lehm durchsetzt war. Bevor Peter zu graben begann, verkeilte er die Ausgänge mit Steinen. Als der Boden unter dem Spaten hohl klang und schon das hohe Kläffen der geängstigten Fuchswelpen zu vernehmen war, zwang ihn ein schwerer Platzregen, die Arbeit zu unterbrechen und nach Hause zu gehen.
    Am nächsten Morgen stand er schon vor Tagesanbruch wieder am Fuchsbau und begann weiterzugraben; da stürzte die vom Regen aufgeweichte Decke des Baues mit ihm ein. Schon glaubte Peter, die Fähe samt den Jungen erdrückt zu haben, als er ein leises, klägliches Gekläff hörte. Mit den Händen wühlte er breiigen Lehm und Steine aus der Grube, räumte Laub, Fraßreste und Unrat aus den Gängen des Baues, fand aber nur ein einziges rauchgraues, lehmbeschmiertes Junges, dem ein Steinsplitter ins Auge gedrungen war. Die Fähe und ihre anderen Jungen waren fort. Und Peter stieß auf einen frisch gegrabenen Gang, durch den die Alte ein Junges nach dem anderen weggeschleppt hatte. Wäre er nur ein Weilchen später gekommen, so hätte sie auch das letzte gerettet. Behutsam zog er den Splitter aus dem Auge des Tieres, nahm es auf und eilte zu Eva.
    Ihr überließ er es, das Füchslein zu säubern und warm zubetten, während er fortging, ihm frische Nahrung zu holen. Als er mit einem Eichhörnchen zurückkam, fand er das scheue Tier im Moosbett eines Korbes eingewühlt. Winselnd und frierend lag es da und war nicht zu bewegen, einen Bissen Fleisch zu nehmen. Mit Gewalt öffnete Peter das noch stumpfe Schnäuzchen und steckte einen kleinen Happen hinein. Regungslos, mit gesenktem Kopfe, kauerte das Tierchen da; nach einer Weile ließ es das Fleisch zu Boden fallen. Peter hatte das Junge zu früh von der Mutter genommen, es hatte noch nicht gelernt, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Mißmutig überließ Peter es seinem Schicksal und ging zu seinen Öfen.
    Eva, die nicht glauben wollte, daß dem Tierchen nicht zu helfen sei, versuchte immer wieder, ihm das Fleisch aufzudrängen. Sie lobte, sie schmeichelte, sie flüsterte Kosenamen, alles vergeblich. Darüber verging der Vormittag. Aus Mattigkeit schlief das Füchslein ein. Aber Eva ließ es nicht lange in Ruhe, sie hatte Angst, es werde nicht mehr erwachen. Zart streichelte sie über das flaumige, rauchgraue Fell, reinigte das verletzte Auge, kaute Kastanien und Honig vor und strich den süßen, warmen Brei ins widerspenstige Mäulchen. Nach kurzem Zögern tat ihr das ausgehungerte Tier den Gefallen: Es schluckte die süße, milchige Kost. Als es sich dann mit der kleinen roten Zunge Lefzen und Nase leckte, da freute sich Eva: »Einäugel, das schmeckt dir!« Sie hob das Tierchen aus dem Nest, liebkoste es und fuhr fort, es zu füttern. Als Peter abends heimkehrte, rief sie ihm entgegen: »Du, Einäugel hat gefressen!« Bald gewöhnte das Tierchen sich an seine große Pflegemutter, tappte ihr auf Schritt und Tritt nach und verlangte winselnd und kläffend sein Futter. Übermütig versuchte es seine spitzen Milchzähne an Evas Binsenschuhen, sprang knurrend an ihr empor und wollte nach ihrer Hand haschen. Sein drolliges Purzeln und Treiben brachte Eva zum Lachen.Als aber Einäugels Pelz sich ins Gelbliche umfärbte, brauchte es eine andere Kost. Sein Bäuchlein wurde rund und fühlte sich hart an, sein heiseres Kläffen verstummte, seine vorher feuchte, kühle Nase wurde trocken und heiß. Es hörte auf, seiner Pflegemutter nachzulaufen, lag fiebernd mal hier, mal dort und verunreinigte den Boden. Einäugel war sterbenskrank. Eva ging mit verweinten Augen ihrer Arbeit nach und wußte nicht, wie sie dem Tierchen helfen sollte.
    Peter, der sich einen Jagdgehilfen erhofft hatte, war verdrossen. Um doch etwas zu unternehmen, beschloß Eva, es mit einem Absud von Walnußblättern und Honig zu versuchen. Sie öffnete Einäugel die Schnauze, goß ihm mit einem Löffel den Trank hinein und hielt ihm jedesmal die Schnauze zu. Und das Füchslein mußte schlucken, ob es wollte oder nicht. War es der Heiltrank, war es das Fasten vorher? Eva wußte es nicht, jedenfalls begab sich der Kranke in die Vorratshütte, zog eine frischgefangene, noch warme Maus, deren Hinterbeine unter einem Fallstein hervorragten, heraus und trabte damit zu seinem Korb. Einäugel mühte sich, mit seinen noch schwachen Milchzähnen das Fell zu durchbeißen. Und als Eva sich freudig überrascht anschickte, ihm die Beute zu nehmen, um sie mundgerecht zu zerlegen, – da knurrte

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