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Im Rausch der Ballnacht

Im Rausch der Ballnacht

Titel: Im Rausch der Ballnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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den Geistern von Tyrells Vorfahren zusammen saß. Sollte das der Fall sein, so fürchtete sie sich nicht, denn trotz seiner Größe wirkte der Raum sehr heimelig und beinah vertraut. Sie stand auf und betrachtete die verschiedenen Porträts, die an den holzvertäfelten Wänden hingen. Sie vermutete, dass es sich durchweg um Vorfahren der de Warennes handelte, und ein Porträt im Besonderen zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Lizzie trat näher.
    Das Porträt war sehr alt. Lizzie schloss das aus dem Schnitt des Kleids und der stilisierten Art zu malen – der Mann auf dem Bild erschien zweidimensional. Trotzdem sah er Tyrell so ähnlich, dass es ihr den Atem verschlug.
    Außerdem trug er ein Kettenhemd. Lizzie interessierte sich nicht übermäßig für Geschichte, aber sie vermutete, dass dieser Mann vor sechs oder sieben Jahrhunderten gelebt hatte. Sie beugte sich vor und rieb den Staub von der Namensplakette am unteren Rand des Rahmens. Dann endlich gelang es ihr, die Aufschrift dort zu entziffern. “Stephen de Warenne, 1070-1117”.
    Es erstaunte Lizzie, zu sehen, wie alt das Porträt war. Bestimmt war dies der Gründungsvater der Familie gewesen.
    Inzwischen war Bernard zurückgekommen, in der Hand ein kleines Silbertablett mit der Schokoladencreme, die sie für Tyrell zubereitet hatte. “Danke”, sagte Lizzie und überraschte den Diener, indem sie ihm das Tablett aus der Hand nahm. “Ich werde dies dem Herrn bringen.”
    “Madam, gestatten Sie?”
    Lizzie hatte nicht die Absicht, ihm das Tablett zurückzugeben. “Sie müssen mir nur sagen, in welcher Richtung ich die Bibliothek finde, denn ich fürchte, ich finde mich in diesem Haus noch nicht zurecht.” Sie musste erst lernen, sich hier zu orientieren, und hatte nicht die geringste Ahnung, wo genau Tyrell sich aufhalten mochte.
    Wenig später stand Lizzie mit dem Tablett in den Händen allein vor einer großen, geschlossenen Tür. Ihr Herz schlug wie rasend. Nach einer einzigen leidenschaftlichen Nacht, dachte sie, bin ich eine schamlose Person geworden. Aber sollte eine Mätresse nicht auch schamlos sein? An nichts anderes mehr konnte sie denken als daran, in Tyrells Armen zu liegen und ihren Körper mit seinem zu vereinigen.
    Doch um ohne anzuklopfen einzutreten, dazu war sie nicht kühn genug. Vorsichtig das kleine Tablett im Gleichgewicht haltend, klopfte sie leise an.
    Lizzie wartete Tyrells Aufforderung ab und schlüpfte dann hinein. Mit großen Augen sah sie sich um. Die Decke in der Bibliothek war ebenso hoch wie die im Speisesaal. Zwei der Wände waren mit halbhohen Regalen bedeckt, die Decke darüber rot gestrichen und elfenbeinfarben und weiß verziert. Lizzie zählte vier große Sitzecken, alle bestehend aus Sofas und Stühlen, die in verschiedenen Rottönen bezogen waren. Die kleineren Möbelstücke waren in Elfenbein und Gold gehalten. Über einem großen Kamin hing ein vergoldeter Spiegel. Dort flackerte ein Feuer, während der Rest der Bibliothek im Schatten lag. Es dauerte einen Moment, bis sie Tyrell entdeckte.
    Er saß am anderen Ende des Raumes, fünfzig oder sechzig Fuß von ihr entfernt. Neben seinem Ellbogen brannte eine Öllampe. Er schien völlig vertieft zu sein in seine Aufzeichnungen und Berechnungen.
    Nie zuvor hatte Lizzie ihn mit Regierungsangelegenheiten beschäftigt gesehen, und in diesem Augenblick fühlte sie, dass er sich mit ganzem Herzen seiner Aufgabe verschrieben hatte. Dafür bewunderte sie ihn mehr denn je. Und sie wusste, was für ein liebenswürdiger Mann er war – und dass er ihr gehörte.
    Plötzlich hob er den Kopf.
    Lizzie versuchte zu lächeln. “Ich bringe Ihnen einen Imbiss, Mylord”, sagte sie leise und wagte sich einen Schritt weiter vor. “Ich hoffe, ich störe nicht.”
    Die Papiere auf seinem Schreibtisch schienen ihn auf einmal nicht mehr zu interessieren. Schweigend und regungslos saß er da und sah sie nur an.
    Aber er musste auch nichts sagen. Lizzie spürte genau den Moment, in dem er ihr seine vollkommene Aufmerksamkeit widmete. Sie war jetzt eine Frau geworden, und sie wusste so etwas.
    Langsam erhob er sich. “Du störst nie, Elizabeth.”
    Es gefiel ihr, ihren Namen aus seinem Mund zu hören. Gern hätte sie gelächelt, doch es gelang ihr nicht, zu groß war die Spannung zwischen ihnen. Sie durchquerte den Raum, während er sie beobachtete.
    Und sie zitterte vor Erregung. Aus irgendeinem Grund vermochte er ihren Körper allein mit seinen Blicken in fiebrige Glut zu versetzen. Vor seinem

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