Im Rausch der Ballnacht
kehrte zurück in die Wirklichkeit, fand sich ihrem Märchenprinzen von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er sah sie an, als wüsste er genau, woran sie gerade gedacht hatte – und wonach sie sich sehnte.
“Ich glaube kaum, dass Sie mir wirklich zu Diensten sein würden”, flüsterte sie zitternd.
Seine Miene wirkte bedrohlich. “Oh, aber das werden Sie niemals erfahren, wenn Sie mich nicht danach fragen.”
Erschrocken sah sie ihn an. Meinte er es so, wie sie es vermutete? Oder war das die Art, wie Männer und Frauen miteinander flirteten – rückhaltlos und ohne jedes Wort wirklich ernst zu meinen?
Er stemmte eine Hand gegen die Wand, sodass sie darunter gefangen war, und kam ihr sehr nahe. “Befehlen Sie mir, Mylady, was Ihr Herz begehrt, dann werden wir sehen, ob dieser Pirat die Wahrheit gesagt hat.”
Es lag ihr auf der Zunge, ihm zu sagen, er solle sie küssen. Für einen Kuss von ihm würde sie sterben.
Langsam, sehr langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. “Was ist?”, fragte er leise.
Sie schluckte.
“Wissen Sie nicht, was Sie zuerst nennen sollen?” Wieder erschien ein Grübchen auf seiner Wange, und in dem einen Auge, das nicht verdeckt war, blitzte ein Lichtfünkchen auf.
Wir sind nicht im Sherwood Forest, dachte Lizzie. Sie befanden sich in einem für jedermann zugänglichen Raum, der voller Menschen war, und sie konnte es nicht wagen, das zu tun, was ihr gerade durch den Kopf gegangen war. Oder doch?
“Vielleicht braucht die Lady etwas Hilfe?”, meinte er. “Vielleicht sollte der Pirat einen Vorschlag machen?”
Es kam Lizzie so vor, als wäre er ihr jetzt noch näher gekommen, denn ihre Lippen berührten sich nun beinah. Ihr Herz, ihr ganzer Körper schienen zu pochen, und sie hatte das Gefühl, berauscht zu sein. Ihre Lider wurden schwer, so schwer, dass sie die Augen schloss. Mit seinen Lippen berührte er ihre Wange, und ihr wurde heiß. Als er dann sprach, fühlte sie seinen Atem auf ihrer Haut, und seine Schenkel streiften ihre Hüften.
“Um Mitternacht im westlichen Garten. Dort werde ich Ihnen zu Diensten sein”, sagte er leise mit tiefer, vibrierender Stimme.
Einen Moment lang ließ er seine Lippen an ihrer Wange ruhen. Schlimmer noch, sie fühlte seine festen Muskeln an ihrer Brust – und dann war er fort.
Zitternd stand Lizzie da und rührte sich nicht. Als sie es wagte, die Augen wieder zu öffnen, fürchtete sie, alle im Saal würden sie ansehen, während sie versuchte, die Glut unter Kontrolle zu bringen, die er in ihr entfacht hatte. An die Wand gelehnt, blieb sie stehen, kämpfte um ihre Selbstbeherrschung, kämpfte gegen das Verlangen, das sie zu verzehren drohte.
Was war da eben passiert?
Allmählich vermochte sie wieder, normal zu atmen, richtete sich auf und verschränkte die Arme. Hatte Tyrell de Warenne sie eben gebeten, ihn um Mitternacht im Garten zu treffen?
War das ein Scherz? Oder wollte er sie zu einem Stelldichein überreden?
Lizzie wusste es nicht.
Ganz langsam verließ sie das Spielzimmer, wobei sie sich fühlte, als hätte sie zu viel Wein getrunken. Aber er hatte sie gebeten, sich mit ihm im Garten zu treffen, und sie hatte seine Lippen an ihrer Wange gespürt. Sollte sie es tatsächlich wagen hinzugehen?
Lizzie war überzeugt, dass er in ihr die Frau erkannt hatte, die er gestern in Limerick gerettet hatte, aber verärgert war er deswegen nicht gewesen. Lizzie wusste nicht, was sie tun sollte.
Gern hätte sie ihn getroffen, aber sie fürchtete sich. Wenn sie hinging, was würde wohl geschehen? Würde er sie küssen? Die Vorstellung allein genügte, und sie lief sofort in den Garten, dabei war es erst zehn Uhr abends. Doch schon die Gedanken an einen Kuss und ein Stelldichein waren ungehörig in Anbetracht der Tatsache, dass seine Absichten vermutlich nicht ehrenhaft waren. Gewiss hatte er nicht vor, sie zu umwerben und um ihre Hand anzuhalten. Ein Kuss war alles, was er wollte. Darüber, dass er mehr von ihr verlangen könnte, sorgte sie sich nicht. Das passte nicht zu Tyrell de Warenne.
Lizzie berührte ihre Maske. Wenn er sie ihr abnahm, würde er ihr Gesicht sehen und enttäuscht sein. Davon war sie überzeugt. Ja, in dem Kostüm sah sie reizend aus, aber das änderte nichts an der Wahrheit. Sie war unscheinbar, und sobald er unter ihre Maske sah, würde er das wissen – und wenn er es im Dunkel der Nacht nicht erkannte, dann im Licht des nächsten Tages.
Aber diese Nacht war verzaubert. Heute hielt er sie
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