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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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Besatzungssoldaten dort ein Kriegsgefangenenlager, speziell auch für SS-Angehörige. Damit wurde der Skelettfund brisant, denn bevor die Politiker weiter entschieden, was passieren sollte, musste geklärt werden, ob es sich um die sterblichen Reste von KZ-Häftlingen oder von SS-Männern und deutschen Soldaten handelte. Etwas anderes stand zunächst gar nicht zur Diskussion. Die Öffentlichkeit wurde durch Berichte in den Medien jeweils auf dem Laufenden gehalten. Was damals in den Zeitungen zu lesen war, ist wert, dass man sich daran erinnert und beschämt darüber nachdenkt.

Freitag, 2. Februar 1996, Kurier
    Immer mehr Tote kommen bei der Kraftwerksbaustelle in Lambach ans Tageslicht. Als relativ gesichert scheint inzwischen, dass es sich bei den dort vergrabenen Leichen nicht um ehemalige KZ-Häftlinge oder Juden gehandelt haben soll, sondern um deutsche Wehrmachtsangehörige.
    Wie viele Tote dort begraben sind, weiß man nicht.
    Alle Opfer sind laut Littmann 3 zwischen 19 und 22 Jahre alt. Der gute Zustand der Zähne und die Kopfformen lassen darauf schließen, dass es sich nicht um Männer aus dem Osten Europas handelt. Auch KZ-Häftlinge kämen dafür nicht in Frage. Aufgrund der schlechten Ernährung im KZ wären bei ihnen Zahnmängel auffällig. Der oberösterreichische Landeshauptmann Pühringer meinte: Wenn jetzt klar sei, dass es sich nicht um Juden handelt, könnte man die Toten umbetten. Innenminister Einem hingegen will einen israelischen Experten (Shalom Fried) beiziehen, der bei der Agnoszierung der Opfer mitarbeiten soll. Das könne Monate dauern …
     
    Es gab noch eine zweite Ebene der damaligen Ereignisse, denn Grün-Aktivisten hatten die Baustelle aus ökologischen Gründen besetzt. Als die Skelette gefunden wurden, meinte ein Besetzer: »Das ist das Beste, was uns passieren konnte.« Na gut, es ist nicht immer so, dass sich jemand über menschliche Knochen freut.
Samstag, 3. Februar 1996, Neue Kronen Zeitung
    ... Mit einem Knalleffekt geht der makabre Streit um die Herkunft der Kriegstoten im Lambacher Massengrab weiter: Es stellte sich heraus, dass Pühringer aufgrund rechtlicher Gegebenheiten für die Untersuchung der Kriegsgräber gar nicht verantwortlich war! Tatsächlich liegt die Verantwortung bei Naturschutzlandesrätin
Barbara Prammer. Jener SP-Politikerin also, der der Landesvater das Naturschutzverfahren über den Kraftwerksbau mit einem demokratiepolitisch bedenklichen Kraftakt entzogen hat. Als neue Leiterin der Erhebungen setzte Prammer eine Experten-Kommission ein, um die Herkunft der Toten zu klären. Obwohl es Zeitzeugen gibt, die glauben, dass es sich bei den Kriegsopfern ausschließlich um deutsche Wehrmachtssoldaten oder SS-Mitglieder handle und behaupten, diese begraben zu haben, stellt sich die Frage, weshalb keine Uniformreste oder Erkennungsmarken entdeckt wurden. Üblicherweise begruben die Amerikaner verstorbene Soldaten mit den Identitäts-Zeichen....
Samstag, 3. Februar 1996, Kurier
    ... Der Gräberfund von Lambach wird jetzt von einer Experten-kommission untersucht und analysiert. Bei Bedarf werde man auch Gerichtsmediziner beiziehen - jene Fachleute, die in der Klärung der Herkunft unbekannter Toter wohl am kompetentesten sind...
Sonntag, 4. Februar 1996, Neue Kronen Zeitung
    ... Nach dem unwürdigen Streit um die Gräber auf dem Lambacher Kraftwerksgelände regiert endlich die Vernunft. Bereits am Montag beginnt die Expertengruppe mit der wissenschaftlichen Untersuchung der Fundstelle. SP-Landesrätin Prammer leitet die Ermittlungen und betont, dass »kein Zeitdruck herrscht«. Sie bremst damit den Übereifer des schlecht beratenen Landeshauptmannes. Der bekanntlich mit tatkräftiger Unterstützung des »Umbettungs-Experten« Horst Littmann bereits am Donnerstag behauptet hatte, dass die Toten eindeutig Soldaten seien. Wobei Littmanns Methoden - er will anhand der Schädelform zwischen Juden, Slawen und Wehrmachtsangehörigen unterscheiden können - von allen seriösen Wissenschaftern als »rassistisch und unhaltbar« bezeichnet wird. Pühringer jedenfalls
preschte nach Littmanns Schnellanalyse vor und sprach von einer Umbettung der Skelette. Davon kann zumindest vorläufig keine Rede sein.…
Mittwoch, 7. Februar 1996, Kurier
    ...»Wir müssen jetzt trachten, die Skelette so unbeschadet wie möglich freizulegen«, erklärte der Linzer Archäologe Manfred Pertlwieser bei einem Lokalaugenschein an den Gräbern von Lambach. »Wir beginnen praktisch wieder von

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