Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
vorne.«
Geschockt zeigte sich der Archäologe über die bisherigen Arbeiten an der Fundstelle. »Es wäre normal, bei derartigen Entdeckungen von Beginn an mehrere Spezialisten zu Rate zu ziehen«, meinte er. Der Generaldirektor des Naturhistorischen Museums in Wien, Bernd Lötsch, brachte die Frage um die Herkunft der Toten im Gespräch mit dem Kurier auf den Punkt: »Jetzt hoffen Tausende Naturschützer insgeheim, dass es sich um bedauernswerte jüdische KZ-Opfer handelt. Denn in diesem Fall wäre diese Erde - wie bei Gräbern von Indianern - heilig. Es stimmt nachdenklich, dass das Judentum mit den Resten seiner Toten rücksichtsvoller und behutsamer umgeht als das Christentum mit den Resten seiner lebenden Schöpfung.«...
Donnerstag, 8. Februar 1996, Kurier
...Tote von Lambach sind 200 Jahre alt Überraschende Wende: Wahrscheinlich sind es Opfer aus den Franzosenkriegen.
Es waren weder jüdische KZ-Opfer noch Kriegsgefangene - der politische »Totentanz« um die Opfer vom Kraftwerksgelände Lambach nimmt immer groteskere Formen an. Seit Mittwoch vermutet ein kompetenter Experte, dass es sich bei den Toten um Opfer aus den fast 200 Jahre zurückliegenden Franzosenkriegen handelt. Damit ist nun das Bundesdenkmalamt zuständig geworden und - auf Landesebene - Oberösterreichs LH
Pühringer, der Kulturreferent der Landesregierung ist. »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stammen die in den Gräbern an der Traun gefundenen Knochen nicht aus diesem Jahrhundert«, erklärte der Sprecher der Expertenkommission, Manfred Pertlwieser, am Mittwoch. »Die Knochenfragmente haben nur ein Drittel ihres Sollgewichtes«, lautet die Begründung. Vergrabene Knochen sind einem mineralischen Abbau ausgesetzt. Seit 1945 wäre aber lediglich ein minimaler Gewichtsverlust denkbar. »Demnach können wir dieses Jahrhundert als Bestattungsära ausschließen«, erklärt Pertlwieser.
Welcher geschichtlichen Epoche die Toten zuzuordnen sind, sei noch nicht restlos geklärt. Eine reelle Möglichkeit könnten die Franzosenkriege sein, die um 1800 besonders heftig in Lambach getobt hatten....
Donnerstag, 8. Februar 1996, Wirtschaftswoche
...Was an Lambach viel mehr erschreckt als die Aussicht auf eine große Staumauer. Von Hans Besenböck
Deshalb erschreckt es so, wie viele Verantwortliche - Gott sei Dank nicht alle - auf die Entdeckung der Toten vom Lambach reagiert haben. Der nachdenklichen Reaktionen sind so wenige, dass es sich lohnt, sie aufzuzählen: Die Grünen haben ihre dringliche Anfrage zum Lambacher Kraftwerkskonflikt zurückgezogen, Oberrabbiner Paul Eisenberg hat zurückhaltend um die Wahrung der Totenruhe gebeten und.... und? Mehr war es nicht. Alles andere war der Versuch, mit Toten, die sich nicht mehr wehren können, politische Interessen zu befördern. Alles andere war schlicht jämmerlich.
Mit der ihm eigenen feinen Ironie - die von den gröber Denkenden nicht verstanden wird und ihm daher politisch ständig schadet - hat Innenminister Caspar Einem die Situation auf den Punkt gebracht: Es gehe, sagte er in der »Zeit im Bild 2«, es gehe offensichtlich nur darum, ob es sich bei den Toten von Lambach
um »leicht verbringbare« (deutsche Kriegsgefangene) handelt oder um »schwer verbringbare« (jüdische KZ-Opfer). Um die Toten selber, um ihre Würde und ihr Recht auf eine wenigstens letzte Ruhe nach einem - wie immer es verlaufen sein mag - letztendlich tragischen Leben, um das alles ging es tatsächlich längst nicht mehr. Die österreichische Politik hatte sich der Sache bemächtigt - und das gehört offenbar nicht nur im Leben, sondern auch nach dem Tode so ziemlich zum Schlimmsten, das einem passieren kann....
Freitag, 9. Februar 1996, Kurier
... Die Toten von Lambach, nach neuesten Erkenntnissen Opfer der Franzosenkriege zwischen 1800 und 1809, werden vermutlich auch die Gerichtsmedizin befassen. Für die wissenschaftlich exakte Bestimmung der Liegezeit von Skeletten verwendet man die »Dünnschicht-Chromatografie«. Anhand von vergleichbaren Gebeinen (deren Alter schon bekannt ist) können Gerichtschemiker feststellen, ob es sich um Knochen handelt, die ebenso lang, länger oder kürzer in der Erde lagen...
Samstag, 10. Februar 1996, Neue Kronen Zeitung
... In Zusammenhang mit den Skelett-Funden, vermutlich Soldaten aus der Zeit Napoleons, meldete sich nun auch die französische Botschaft: Sollte sich die Vermutung bestätigen, so müssten die Gebeine umgebettet werden. Falls es sich aber um viele
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