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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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aufgefasst wurde. Jetzt wird dieses Wort »Kunstfehler« zunehmend zurückgedrängt, weil die Medizin eher als Wissenschaft und nicht mehr als Kunst angesehen wird. Eigentlich ist das schade, denn Kunst kommt bekanntlich von Können und mir persönlich ist ein Arzt lieber, der etwas kann, als einer, der nur glaubt, etwas zu wissen. Aber gerade diese Übergangszone zwischen Können und Wissen hat den Gesetzgeber gestört, denn es ist sehr schwer, »Gesetze der Kunst«, d. h. Kunstregeln zu definieren. Daher nennt man es jetzt medizinische Wissenschaft oder Schulmedizin und misst daran eventuelle Fehler. Der rasante Fortschritt der Medizin bringt es jedoch mit sich, dass in bestimmten Bereichen noch gar keine festen, allgemein anerkannten Regeln vorhanden sind. Ja, es kann sogar vorkommen, dass eine neu entwickelte Behandlungsmethode, sobald sie einmal international anerkannt wird, bereits wieder veraltet ist. Solche Kapriolen schlägt manchmal die »Explosion der Erkenntnisse«, wenn medizinisches Neuland betreten wird. Dazu kommt noch das vielfache Auseinanderklaffen der unterschiedlichen Lehrmeinungen. Tatsache ist, der Begriff Kunstfehler wurde zunächst ersetzt durch »ärztlicher Behandlungsfehler« und neuerdings
durch den Begriff »ärztliches Fehlverhalten«. Für die Interpretation und Anwendung der Gesetze sind noch weitere Begriffe entscheidend wichtig: Schaden (für den Patienten), Misserfolg (einer ärztlichen Maßnahme), Fahrlässigkeit (ohne Sorgfalt handeln).
    Überhaupt kann sich ein ärztliches Fehlverhalten in verschiedenen Formen äußern:
    • Diagnosefehler, d. h. die Krankheit wurde nicht richtig erkannt,
    • Behandlungsfehler, z. B. falsche Medikamente, fehlerhafte Operation u. dgl.,
    • Konsultationsfehler, d.h. der erforderliche Fachmann wurde nicht beigezogen,
    • Verletzung der Aufsichtspflicht, z. B. der Tätigkeit der Schwestern und der Jungärzte,
    • fehlerhafte Apparatüberwachung, d. h. Bedienungsfehler,
    • mangelhafte Aufklärung, d. h. ungenügende Information über Risiko und Komplikationen.
    Für alle jene, die medizinische Sammelklagen einbringen wollen, sei festgestellt:
    Der Arzt haftet zivilrechtlich für ein von ihm zu vertretendes Fehlverhalten und hat Schadenersatz zu leisten. Der Arzt haftet strafrechtlich vor allem bei gefährlicher Fahrlässigkeit mit Verletzungs- oder Todesfolge, bei Missachtung des Patientenwillens sowie bei Verletzung von Berufsgeheimnissen.
    Der Arzt haftet auch für sein Personal.
    Es ist daher keineswegs nur eine lockere Redensart, dass ein Mediziner stets mit einem Fuß im Kriminal steht. Manchmal genügt wirklich nur ein kleiner Schubs, und man stolpert mit dem zweiten Fuß auch hinein. Patienten wünschen sich bei jeder Art von Irrtum oder Fehler, dass man mit ihnen darüber spricht, und
    verzichten zum Teil dann auch auf juristische Schritte. Dem steht zweierlei entgegen. Erstens fällt es vielen Ärzten schwer, Fehler zuzugeben, und zweitens drängen manche Rechtsanwälte in das Geschäft. Heraus kommt dabei nur etwas, das niemand wünschen kann: Das Vertrauen in die Ärzte sinkt, die Beschäftigung der Patientenanwälte steigt. Die Berichterstattung in den Massenmedien trägt auch nicht gerade zu einer sachlichen Diskussion der Probleme bei.
    »Jede fünfte Diagnose fehlerhaft! Da haben es andere Berufsgruppen bedeutend leichter. Nehmen wir zum Beispiel die Meteorologen.«
    Herbert Hauser, Chefredakteur Ärztewoche
    Am gefährlichsten im Hinblick auf eventuell eintretende Komplikationen sind natürlich operative Eingriffe. Eine erstaunliche Konsequenz daraus ergab 1995 eine Umfrage des Bundesamtes für Gesundheitswesen im Schweizer Kanton Tessin: Betrachtet man nicht-dringliche chirurgische Eingriffe, so lassen sich Patienten, die vom Fach sind (also Ärzte), oder Patienten, die allenfalls rechtliche Schritte unternehmen könnten (also Anwälte), deutlich seltener operieren als die Vergleichsgruppe »Gesamtbevölkerung«. Zitat der Schlussfolgerung: »Man könnte daraus schließen, dass Ärzte vorsichtiger sind, wenn es darum geht, einen speziellen Patienten wie etwa einen Anwalt zu operieren.«

Die 2. bis 18. Meinung
    Der für Wien zuständige Patientenanwalt erklärte aufgrund seiner Erfahrung, dass Fehler in der medizinischen Labordiagnostik seltener sind als anderswo. Dazu kommt die Möglichkeit, solche Untersuchungen leicht wiederholen zu lassen oder bei
zweifelhaften Diagnosen die Meinung eines zweiten Arztes einzuholen. Diese

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