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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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Wochen vor seinem Tod ehrenwörtlich in der Öffentlichkeit erklärt, mit der Verleumdungs- und Bespitzelungskampagne eines politischen Gegners nichts zu tun zu haben. Also musste sein Selbstmord geleugnet werden.

Häufig, zu häufig
    In der westlichen Welt schätzt man rund 1000 Selbstmorde pro Tag und bis zu zehnmal so viele Versuche. Allein in der Bundesrepublik Deutschland versucht sich etwa alle 30 Minuten ein Mensch das Leben zu nehmen. Im europaweiten Vergleich »führen« Ungarn und Finnland, gefolgt von Österreich, Dänemark und der Schweiz. Glückliche »Schlusslichter« der Statistik sind Griechenland, England, Italien und Spanien.
    Über 1700 Selbstmorde pro Jahr in Österreich sind deutlich mehr als es Verkehrstote zu beklagen gibt.
    Der große Psychoanalytiker Erwin Ringel (1921-1994) hat gesagt: »Der Selbstmörder ist der Ärmste überhaupt, weil er das Einzige, was er wirklich besitzt, wegwirft: das Leben.« Den Selbstmord als Freitod zu bezeichnen ist genauso falsch wie zynisch.
    Die Gerichtsmedizin bemüht sich, je nach Lage der Motive, verschiedene Typen von Selbstmorden zu unterscheiden:
    1. Bilanz-Selbstmord: Nach längerem Überlegen und Abwägen der Möglichkeiten wird entschieden, das Leben sei nicht mehr lebenswert (unheilbare Krankheit, aussichtslose finanzielle Notlage).
    2. Demonstrations-Selbstmord: Die Tat wird stark affektbetont unternommen, um etwas zu erreichen. Der Betroffene hofft insgeheim, dass er mit dem Leben davonkommt und seine Demonstration die Probleme einer Lösung zugeführt hat (Liebeskummer, Ehestreit).
    3. Kurzschluss-Selbstmord: Akuter Entschluss nach Erhalt einer schlechten Nachricht (Verlust des Berufes, Enttäuschung).
    4. Flucht-Selbstmord: Um einem sich anbahnenden Verhängnis zu entkommen (Straftäter auf der Flucht).
    5. Selbstmord bei psychischen Erkrankungen: Depression, Melancholie, Schizophrenie. Depression ist nicht nur die häufigste Störung, sondern auch die tödlichste.
    Die häufigste Selbstmordart ist das Erhängen, bei Frauen gefolgt von Vergiftungen, bei Männern ist die zweithäufigste Methode Erschießen.
    So lügt die Statistik:
    Der Anteil der Selbstmorde, bezogen auf alle Todesfälle, ist in der Gruppe der unter 20-Jährigen am höchsten und in der Gruppe der über 70-Jährigen am niedrigsten. Also könnte man meinen, die Menschen werden mit zunehmendem Lebensalter glücklicher.
    Stimmt nicht.
    Alte Menschen töten sich viel häufiger als junge, aber ihre Zahl ist relativ gering gegenüber den vielen Todesfällen aus Krankheitsgründen. Jugendliche sterben aber allgemein viel seltener als Alte, deshalb nehmen die Selbstmorde einen hohen Prozentsatz unter ihren Todesfällen ein.

Kombinierter Selbstmord
    In besonderen Fällen will der Betreffende ganz sicher gehen, daher kombiniert er mehrere Tötungsmethoden: Er klettert beispielsweise auf einen Baumast, der über das Wasser ragt, legt sich ein Seil um den Hals und befestigt es am Ast. Dann schießt er sich in die Brust. Seine Überlegung lautet: Wirkt der Schuss nicht tödlich, so erhängt er sich, reißt das Seil, so fällt er ins Wasser und ertrinkt.
    Manchmal werden mehrere Stromfallen aufgebaut: So ging eine Frau mit je einem Haarföhn in der rechten und in der linken Hand in die Badewanne, eine andere nahm Handmixer, Bügeleisen und Föhn mit ins Wasser.
    Solche Inszenierungen können auch tragikomisch enden: Ein Mann nahm eine Überdosis Schlaftabletten und band sich, auf einem Brückengeländer sitzend, eine Schlinge um den Hals, deren Strick an einem Pfosten befestigt war. Als er sich dann noch eine Kugel in den Kopf schießen wollte, verletzte ihn diese nur geringfügig, zerriss jedoch den Strick. Nachdem er in den Fluss gefallen war, erbrach er, aus Schreck über das kalte Wasser, die Tabletten und blieb am Leben.

Andere Länder, andere Sitten
    Die japanischen Samurai waren früher das bewaffnete Begleitpersonal des Adels. Sie hatten einen strengen Ehrenkodex und das Recht, zwei Schwerter zu tragen. Als Beweis für Mut, Selbstbeherrschung und reine Gesinnung pflegten sie eine besondere rituelle Form der Selbsttötung, das Seppuku (bei uns auch Harakiri genannt).
    Seppuku diente der Wahrung der Ehre in Gefangenschaft,
dem Loyalitätsbeweis gegenüber dem lokalen Herrscher, dem Shogun oder dem Widerstand gegen politische Herrschaft, zeitweise auch als nicht entehrende Form der Todesstrafe. Unter Einhaltung eines zeremoniellen Rituals schnitt sich der Betroffene mit einem Schwert

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