Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
auch als Unfall deklarieren kann. Eine Gefahrenstelle beim inszenierten Unfalltod ist die jeweilige Versicherung. Keine Assekuranz zahlt freiwillig und gerne, deshalb werden Ermittlungen angestellt. Also, keine unverhältnismäßigen Forderungen an die Unfallversicherung stellen. Der Unfall muss nicht nur echt, sondern auch glaubhaft sein. Wenn ein Schiff explodiert und untergeht, ist es unbedingt notwendig, den Sprengstoff als Teil des Ladegutes zu deklarieren, den Zeitzünder allerdings nicht. Bei einer Pilzvergiftung muss logisch nachvollziehbar sein, wie es passieren konnte, dass der Knollenblätterpilz unter die Champignons kam, und warum nur bestimmte Leute davon gegessen haben, andere dagegen nicht.
… es wie ein natürlicher Tod aussieht:
Jede Art einer gewaltsamen Tötung kann von Gerichtsmedizinern erkannt werden, jedes Gift oder Medikament, jede Verletzung, jedes Erwürgen, Erdrosseln oder Ersticken und so weiter. Was aber, wenn kein Verdacht ausgesprochen wird und daher
eine nähere Untersuchung ausbleibt. Die Mörder können sich dabei auf eine weitgehend unzureichende Totenbeschau verlassen. Diese Problematik wurde bereits besprochen (siehe Seite 85), es lohnt sich, dort nochmals nachzulesen.
Aus der Unmenge von Fällen, wo man gerade noch ein Tötungsdelikt bei einem scheinbar natürlichen Tod aufdecken konnte, seien einige Beispiele genannt:
• Ein alter, kränklicher Mann ist gestorben. Der Arzt, der den Patienten kannte, bescheinigt einen natürlichen Tod an Kreislaufschwäche. Als der Bestatter im Zuge der Leichentoilette den Mund des Verstorbenen nicht schließen kann, entdeckt er tief im Schlund ein Taschentuch: Erstickungstod.
• Eine Frau war gestorben. Erbstreitigkeiten begannen. Bei der Totenbeschau wurde ein natürlicher Tod bescheinigt und die Frau begraben. Nach einem Rechtsstreit kam es zur Exhumierung, wobei eine Schusswunde an der Brust entdeckt wurde. Der Einschuss war mit Leukoplast verklebt, das Projektil steckte noch im Körper: Herzschuss.
• Der Totenbeschauarzt stellte bei einer Leiche Blut im Mund fest. Die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ergab, dass der Verstorbene an einer Lungentuberkulose gelitten hatte, es wurde daher ein Blutsturz angenommen. Als die Bestatter die Leiche abtransportierten, fiel aus der Kleidung ein Geschoss heraus. Die weitere Untersuchung ergab einen Schusskanal vom Nacken bis zum Kinn: Genickschuss.
Aber wie oft werden solche Verbrechen nicht erkannt! Die Merkmale von Ersticken und Erwürgen sind manchmal nicht leicht zu erkennen, treten außerdem erst längere Zeit nach dem Tod deutlicher in Erscheinung. Bei Verabreichung falscher oder überdosierter Medikamente hat der Beschauarzt überhaupt keine Chance, desgleichen, wenn bei ohnehin todkranken Menschen etwas nachgeholfen und beschleunigt wird.
… fälschlich Selbstmord angenommen wird:
Einen Selbstmord vorzutäuschen ist schwierig und bedarf großer Sorgfalt. Jeder »Pseudo-Selbstmord« hat nur dann eine Chance, anerkannt zu werden, wenn ein plausibles Motiv angeboten wird und wenn ein Abschiedsbrief vorliegt. Beides zu beschaffen ist nicht leicht.
Dazu noch einige wichtige Details:
Tatwaffe Messer: Ein Selbstmörder macht praktisch immer zuerst einige zaghafte, oberflächlich angesetzte »Probierschnitte«. Erst dann gewinnt er Mut und schneidet tiefer. Das Gleiche gilt für Stichverletzungen. Charakteristisch ist weiter, dass der Selbstmörder nicht durch die Kleidung sticht, sondern die Stelle entblößt.
Sprung aus dem Fenster: Der Selbstmörder springt weg und liegt daher meist weiter von der Absprungstelle entfernt. Bei einem Unfall oder Mord versucht der Betroffene, sich im letzten Augenblick noch festzuhalten, und liegt daher knapp an der Hauswand.
Erhängen: Ein entscheidender Fehler wird begangen, wenn der Täter eine Leiche in die Schlinge hängt, um einen Selbstmord vorzutäuschen. Oft wird nicht beachtet, dass die Hängestellung vom Opfer gar nicht zu erreichen war, wenn etwa der dazugestellte Stuhl zu niedrig ist. Da der schwere Leichnam ja hochgezogen wurde, finden sich Schleifspuren am Seil, am Haken oder am Holzbalken. Außerdem muss der Selbstmörder mit dem Strick hantiert haben, er hat daher Faserspuren an seinen Händen.
Ertrinken: Sieht man von dem typischen Anfängerfehler ab, eine Leiche in das Wasser zu werfen (das wird sofort erkannt!), so ist es auch oft für den Gerichtsmediziner schwer, zwischen »Ertrinken« und »Ertränken« zu
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