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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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bestimmt werden kann. 10,38 Mikrogramm Arsen pro Gramm Haargewebe wurden in Glasgow gefunden, während das FBI 1,93 bzw. 4,96 Mikrogramm feststellte. Der Normalwert liegt zwischen 1,0 und 2,0; in Gebieten mit starker Luftverschmutzung auch darüber. Auch die Verteilung des Arsens über eine Haarlänge von 9 cm wurde untersucht. Als Ergebnis konnte man sagen, dass Napoleon in den Jahren von 1816 bis zu seinem Tod in Intervallen sehr wohl einer Arsenbelastung ausgesetzt war.
    Das war aber noch lange kein Beweis für eine Vergiftung. Napoleons Lieblingsfarbe war »grün«. Auch in St. Helena hatte er grüne Tapeten in seinem Schlafzimmer, grünseidene Bettvorhänge und grüngestrichene Rohrstühle. Er ließ all das neu streichen und färben. Der Farbstoff war das grüne Kupferarsenit
(Schweinfurter Grün), von dem man erst später erkannte, dass durch die Einwirkung von Schimmelpilzen flüchtiges Arsen freigesetzt wird, welches man einatmet. Ein englischer Arzt namens O’Meara berichtete über Napoleons Wohnung in Longwood: »Die Wände waren mit einer grünen Feuchtigkeit und mit Schimmel bedeckt, feucht, kalt...«.
    Letztendlich wurde ein Stück der Originaltapete untersucht und man fand Arsen im grünen Ornament des Stoffes. Damit ist wohl auch dieses Phänomen geklärt. Napoleon hat zwar in der Tat in St. Helena übermäßig Arsen in seinen Körper aufgenommen, es war dies aber kein Vergiftungsanschlag, sondern die verschimmelnde Tapete seiner schäbigen Behausung.
    Woran ist aber Napoleon dann wirklich gestorben? Diese Frage führt zu einer ernüchternden Erkenntnis der Medizingeschichte: Damals wie heute hat es politischen Druck auf ärztliche Befunde gegeben. Die Engländer waren sehr daran interessiert, den Tod von »General Bonaparte« nicht als Folge der ungünstigen Haftbedingungen oder des unwirtlichen Klimas auf der Insel St. Helena interpretiert zu wissen, den Franzosen hingegen kam es darauf an, dass eine auf dieser Insel erworbene Krankheit die Schuld am frühzeitigen Tod ihres doch erst 52 Jahre alten Kaisers war.
    Schon während der Obduktion entbrannten die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Engländern und Franzosen, vor der geöffneten Leiche wurde heftig gestritten. Die Engländer wollten Napoleons Tod als einen ganz natürlichen darstellen, die Franzosen hingegen hofften, mit dem Obduktionsergebnis den Engländern die Schuld am Tod Napoleons zuschieben zu können. Es ging darum, ob die Leber als krankhaft verändert gesehen werden könnte. Es entstanden lange Debatten. Das Ergebnis war, dass von beiden Seiten je zwei in sich wieder etwas unterschiedliche Obduktionsberichte entstanden. Wir stehen also vor der medizinischen Groteske, von einer Leichenöffnung
vier Variationen des Sektionbefundes zu besitzen. Damit fingen die Spekulationen, Theorien und Vermutungen an, die bis zum heutigen Tage anhalten.
    Der offizielle Befund der Engländer lautet in den wichtigen Passagen:
    »... erschien der Leichnam sehr fett, was auch durch den ersten Einschnitt unterhalb der Mitte bestätigt wurde, wo das Fett aufwärts einen Zoll dick lag.
    Und als der Magen freigelegt wurde, fand man, dass er der Sitz einer sich weit erstreckenden Krankheit war … Entdeckte man einen Zoll vom Pförtner entfernt ein Geschwür, das die Magenwände durchbohrt hatte und groß genug war, um den kleinen Finger durchzustecken. Die innere Fläche des Magens bildete fast in ihrer ganzen Ausdehnung eine einzige Masse von Geschwüren, die bereits zum Krebs fortgeschritten waren. Man fand den Magen nahezu gefüllt mit einer großen Menge Flüssigkeit, die dem Kaffeesatz ähnelte. Die gewölbte Oberfläche des linken Lappens der Leber hing mit dem Zwerchfell zusammen, aber, mit Ausnahme dieser Adhäsion, die durch die Magenkrankheit hervorgerufen worden war, machte sich keine Krankheitserscheinung in der Leber bemerkbar. Die übrigen Unterleibsorgane waren gesund. …«
    Dies ist natürlich kein Obduktionsprotokoll mit medizinisch-wissenschaftlichem Anspruch. Die gewünschten, vielleicht sogar bestellten Aussagen sind klar formuliert: Die dicke Fettschicht sollte bezeugen, dass Napoleon nicht schlecht ernährt wurde; in der Leber waren keine krankhaften Erscheinungen, d. h. das Gerücht der Leberentzündung wird zurückgewiesen; der Magenkrebs wird ausführlich beschrieben, hier hatte man eine natürliche Todesursache - unheilbare Erkrankung.
    Im Gegensatz dazu findet man im Bericht des französischen
Arztes Dr. Francesco

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