Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
seinen zersetzenden Fragen nicht sogar die Religion zum Wanken? Und wenn ein Mann, der selbst nichts Positives zu sagen weiß, einen so anhänglichen Schwarm von Schülern um sich sammeln kann, muss man ihn dann nicht als einen gefährlichen Verderber der Jugend ansehen? So kam es, dass die Athener sich dieses verdächtigen Mitbürgers entledigen wollten und ihm den Prozess machten. Der Prozess gegen Sokrates fand im Jahre 399 statt. Der Peloponnesische Krieg, den Athen und Sparta um die Vorherrschaft in Griechenland führten, endete 404 mit der Niederlage Athens. Die politische Lage im Nachkriegs-Athen war gespannt, die wiedereingeführte Demokratie fühlte sich bedroht. Ordnung war wichtig und um Stärke zu demonstrieren, erschien als bestes Mittel ein prominentes Opfer. So wurde als zugkräftiges Objekt für einen Schauprozess der bekannteste Mann Athens ausgewählt, der Lehrer der vornehmen Stadtjugend, der weise Zweifler, der skurrile Sonderling, der Querulant Sokrates. Die Anklage lautete: »Sokrates handelt rechtswidrig, denn er glaubt nicht an die Götter des Staates, vielmehr hat er ein neues Daimonion eingeführt. Er
handelt ferner nicht nach den Gesetzen, da er die Jugend verführt.«
Aber es wurde kein religiöser, pädagogischer oder philosophischer Prozess, es wurde ein politischer Prozess. Und damit stand, wie in den meisten solchen Verfahren, der Ausgang von vornherein fest: Sokrates wurde zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung durch Trinken eines Giftes gehört zu jenen Strafen, in denen sich noch die Scheu des Menschen spiegelt, einen anderen durch direkten Eingriff, durch die eigene menschliche Hand zum Tode zu befördern. Athen wählte den Schierlingssaft als Todesstrafe für Staatsverbrecher. Das Gift wurde aus dem gefleckten Schierling (Conium maculatum) gewonnen und heißt Coniin. Es findet sich am reichlichsten in den Früchten bzw. Samen, viel weniger in Blättern und Wurzeln. Eine Verwechslung des giftigen Schierlings mit Petersilie, Sellerie, Kerbel und den Samen von Fenchel sowie Anis ist möglich. Als gepresster Saft oder gerieben und in Flüssigkeit aufgelöst, geht Coniin rasch in die Blutbahn über. In der tödlichen Dosis von etwa einen Gramm führt das Gift innerhalb einer halben Stunde unter aufsteigender Lähmung zum Tod. Die Wirkung des Schierlinggiftes ähnelt dem Curare: es erfolgt eine Paralyse der motorischen und sensiblen Nervenendigungen sowie des Rückenmarks und zuletzt des Atemzentrums. Arme und Beine werden bewegungsunfähig und kalt, bei aufrechterhaltenem Bewusstsein versagt die Atmungsmuskulatur, während das Herz weiterschlägt; schließlich kommt es zum Erstickungstod, eine äußerst widerwärtige Art des Sterbens.
Daher wurde manchmal dem Schierlingssaft Opium zugesetzt. Letzteres trübt das Bewusstsein und nimmt die Todesangst, weil der Vergiftete einschläft. Bei einer Hinrichtung unter verschärften Bedingungen wurde dagegen das Opium weggelassen.
Avicenna behandelte sich selbst
Abu-Ali Husain Ibn-Abdullah Ibn-Sina, (ca. 980-1037), wie Avicenna mit vollem Namen hieß, wurde in der Nähe von Buchara geboren, das nach unserer heutigen Geografie in Usbekistan liegt. Er war ein Wunderkind und wurde zum bedeutendsten Arzt des Mittelalters. Man sagte ihm einen exzessiven Lebenswandel nach, als gebildeter Weltmann behandelte er Emire und Kalifen, als religiös unabhängiger Moslem liebte er Wein, Weib und Wissenschaft. Er war im wahrsten Sinne des Wortes kein trockener Gelehrter. In Isfahan bekam er die Ruhr. Von heftigen Leibschmerzen gequält, ließ er sich an einem Tag acht Klistiere mit Pfeffer geben, zur inneren Reinigung. Danach nahm er das berühmte Allheilmittel und Allzweckgegengift Mithridat. Weil sein Gehilfe dasselbe mit zu viel Opium versetzt hatte, war die Folge eine Vergiftung mit Atemlähmung. Daran ist Avicenna gestorben. Nicht erst seit damals gilt, dass man sich als Arzt nicht selbst behandeln soll.
Hamlet und der bulgarische Geheimdienst
William Shakespeares Theaterstück » Hamlet, Prinz von Dänemark « ist reich an Todesfällen. Es wird erstochen und ertrunken, besonders interessant sind jedoch die Vergiftungen. Im I. Akt erzählt der Geist von Hamlets Vater die näheren Umstände seiner Ermordung: Als er schlief, hat ihm sein Bruder, der jetzige König Claudius, einen giftigen Saft aus Bilsenkraut in das Ohr geträufelt.
»Da ich im Garten schlief, Wie immer meiner Sitte nachmittags, Beschlich dein Oheim meine sichre Stunde. Mit Saft
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