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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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verfluchten Bilsenkrauts im Fläschchen, Und träufelt in den Eingang meines Ohrs Das schwärende Getränk;... Dass es durch die natürlichen Kanäle Des Körpers hurtig, wie Quecksilber läuft; Und wie ein saures Lab, in Milch getropft, Mit plötzlicher Gewalt gerinnen macht Das leichte, reine Blut. So tat es meinem;
So ward ich schlafend und durch Bruderhand um Leben, Krone, Weib mit eins gebracht.«
    Dass diese Methode der Vergiftung funktioniert hat, ist höchst unwahrscheinlich. Gehörgang und Trommelfell sind derart empfindlich, dass ein Schlafender sofort aufgeweckt wird, wenn man ihm eine Flüssigkeit ins Ohr schüttet. Es ist dies jederzeit im Tierversuch wiederholbar, wie jeder Hundebesitzer weiß, wenn es gilt, Ohrentropfen zu verabreichen. Ein zweites Problem ist der tödliche Ausgang einer Vergiftung durch Bilsenkraut. Die toxische Substanz ist das sehr giftige Hyoscyamin, welches auf Herz und Gehirn wirkt. Dazu sind allerdings etwa 100 mg notwendig. Ob diese Menge aus dem Gehörgang direkt in die Blutbahn gelangen kann, ist fraglich. Zuverlässiger wäre es, das Gift von der Nasenschleimhaut aus in das Blut treten zu lassen. Dass dies leichter geht, weiß man vom Kokain.
    Im V. Akt ist dann der bekannte Showdown. König Claudius inszeniert ein Preisfechten zwischen Hamlet und Laertes, dem Bruder der bereits toten Ophelia. Eigentlich sollte mit stumpfen Waffen gefochten werden, doch der König will den Tod von Hamlet und reizt daher Laertes so sehr, dass dieser seinen Degen zuspitzt und mit Gift präpariert. Um ganz sicher zu gehen, hält Claudius noch einen vergifteten »Erfrischungstrank« für Hamlet bereit.
    Laertes verspricht:
    »... mit dem Gift Will ich die Spitze meines Degens netzen, So dass es, streif ich ihn nur obenhin, Den Tod ihm bringt.« Das Preisfechten geht schlecht aus, denn keiner erreicht sein Ziel. Zuerst trinkt Hamlets Mutter aus dem Kelch mit dem vergifteten Trank und stirbt. Dann verwundet zuerst Laertes den Hamlet, im Eifer des Gefechtes wechseln sie die Waffen, und Hamlet trifft wiederum den Laertes. Damit sind beide tödlich vergiftet. Als Hamlet dies merkt, ersticht er noch den Mörder seines Vaters. Vier »Leichen« liegen auf der Bühne.

    Shakespeare hat nirgends mitgeteilt, um welches Gift es sich wohl handelt, das, durch eine kleine Stichwunde in den Körper gebracht, zu Tode führt. Dass es solche Gifte gibt, ist jedoch beispielsweise von den Pfeilgiften verschiedener Naturvölker bekannt.
    Die »Methode Hamlet« ist in der Gegenwart in Agentenund Geheimdienstkreisen sehr geschätzt. Einer dieser sonst sehr diskret behandelten Fälle ging durch die Weltpresse. Der bulgarische Schriftsteller und Dissident Georgi Markow stand am 7. September 1978 in London an der Bushaltestelle Waterloo-Bridge, - wie es in England üblich ist, in einer gänsemarschartigen Wartereihe. Er verspürte einen Stich im Oberschenkel und berichtete später, ein Fremder habe ihn mit einem Regenschirm versehentlich gestochen. Die kleine Wunde schmerzte etwas. Er fühlte sich zunehmend unwohl, wurde am nächsten Tag in ein Krankenhaus eingeliefert und war drei Tage später tot. Die Obduktion ergab einen interessanten Befund. In der Wunde entdeckte man ein 1,5 Millimeter großes Metallkügelchen, welches zwei winzige Kanäle enthielt. Gift konnte keines nachgewiesen werden. Erst viel später, nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks, wurde bekannt, dass vom bulgarischen Geheimdienst das pflanzliche Gift Rizin verwendet worden war. Dieses ist in einer Menge ab 0,1 mg tödlich und wird aus den Samen des Wunderbaumes, einer Zierstaude, gewonnen. Diese Samen sind hoch giftig. Ein solcher Strauch (Ricinus comunis, Palma Christi) im Hausgarten ist also ein Risiko - oder eine Reserve für den Ernstfall.

Wiener und Prager Frauen
    Enea Silvio Piccolomini (1405-1464), ab 1458 Papst Pius II. und vorher kaiserlicher Diplomat im Habsburgerreich, hat eine sehr genaue Schilderung der Stadt Wien und der Sitten ihrer Bewohner verfasst. Darin steht klipp und klar, dass es in dieser Stadt berufsmäßige Giftmischerinnen gab: »Es soll auch sehr viel Weiber geben, die die Männer, welche ihren Frauen zur Last sind, durch Gift beseitigen.« Es kann als sicher gelten, dass diese zugegeben recht allgemeine Bemerkung auf Tatsachen beruht. Aus der gleichen Zeit liegt ein Justizbericht aus Böhmen vor, dessen detaillierter Inhalt in das geschichtliche Bild der menschlichen Vergiftungshandlung für niedrige Zwecke

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