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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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…«
    Mozarts älterer Sohn Karl Thomas (1784-1858) schrieb über
den Tod seines Vaters bemerkenswerte Sätze: »Besonders erwähnenswert sind meiner Ansicht nach die Umstände, nämlich, dass ein paar Tage vor dem Tod eine derart große, allgemeine Schwellung auftrat, welche den Kranken an jeder kleinsten Bewegung hinderte, ferner der Gestank, der eine innerliche Auflösung ankündigte und gleich nach dem Tod immer stärker wurde, sodass er eine Leichensektion unmöglich machte. Ein anderer Umstand ist der, dass der Kadaver nicht steif und kalt wurde, sondern wie es bei Papst Ganganelli und denen, die durch Pflanzengift starben, der Fall war, in allen Teilen weich und elastisch blieb.«

Digitalis in Athen?
    Aber auch aus der jüngeren Vergangenheit existiert ein Bericht, der ähnliche Leichenerscheinungen darstellt, und bei dem noch immer über eine Vergiftung spekuliert wird. Am 11. Juli 1985 starb der 46-jährige österreichische Botschafter in Athen, Dr. Herbert Amry, plötzlich und unerwartet. Er hatte an der Aufdeckung der Waffenhandelsaffäre der Firma Noricum maßgeblichen Anteil gehabt. Sein Tod erregte Vermutungen und Verdächtigungen, Amry sei mit Digitalis vergiftet worden. In einem Aktenvermerk der österreichischen Staatspolizei wurden ungewöhnliche Veränderungen an Amrys Leiche beschrieben: »Anlässlich der Präparation der Leiche für den Transport nach Österreich erklärte der Leichenbestatter, dass der Körper voller Thrombosen gewesen sei. Aus diesem Grund hätten auch die Formalinspritzen nicht gewirkt. Im Gegenteil, die Leiche wäre sehr rasch ›schwarz‹ geworden und der Körper aufgedunsen.«
    Eine Obduktion erfolgte nicht, es fand keine gerichtsmedizinische Untersuchung statt. Amrys Leiche wurde verbrannt. Allerdings sind zwei Tatsachen zu berücksichtigen: Jene Symptome, die vom Sterben des Dr. Amry geschildert wurden,
entsprachen lehrbuchmäßig einem Myokardinfarkt, während die vermutete Digitalisvergiftung ganz anders wirkt.
    Digitalis ist ein Wirkstoff aus Fingerhutgewächsen und wurde wahrscheinlich 1863 in Frankreich zum ersten Mal für einen Giftmord verwendet. Der Täter war ein Arzt, Dr. Coudry de la Pommerais, der seine Geliebte mit mehreren kleinen Dosen Digitalis vergiftete. Das Motiv war ein Versicherungsbetrug. Durch einen Tierversuch konnte das Gift nachgewiesen und der Täter überführt werden. Seither wurden Digitalispräparate immer wieder zu Tötungszwecken verwendet.

Lehren aus der Geschichte
    In historischer Betrachtung sind die Analogien in diesen vier Fällen schon auffallend. Auffällig in der Ähnlichkeit der Berichterstattung, auffällig in den gleichartigen Schlussfolgerungen. Medizinisch gesehen, ist allerdings völlig klar und eindeutig, dass solche Leichenveränderungen keinerlei Beweiskraft für oder gegen einen gewaltsamen Tod haben. Sie nähren jedoch die Gerüchte und Vermutungen. Clemens XIV. wurde zwar obduziert, doch hatte man damals noch keine Möglichkeit für einen exakten Giftnachweis. Mozart hat man ohne Obduktion bestattet. Die Leiche von Dr. Herbert Amry wurde eingeäschert. Wollen wir aus der Geschichte lernen, so müsste - entsprechend den gültigen gesetzlichen Bestimmungen - bei jedem unerwartet oder unter ungewöhnlichen Umständen erfolgten Tod eine genaue, sachkundige Obduktion durchgeführt werden. Wie die gegenwärtige Verunsicherung zeigt, würde man dadurch viel an unnötigen Spekulationen ersparen.

Gift oder Krebs, woran ist Napoleon gestorben?
    Immer wieder tauchten Gerüchte auf, nach denen Napoleon Bonaparte (1769-1821) während seiner Gefangenschaft eines unnatürlichen Todes gestorben sei. Man sprach von einer kombinierten Arsen-Quecksilber-Vergiftung, einer damals durchaus geläufigen Methode. Die chronische Giftzufuhr führt zu uncharakteristischen Krankheitssymptomen und allgemeiner, zunehmender Schwächung. Mehrfach wurden Haare von Napoleon auf die enthaltene Arsenmenge untersucht. Gerade Arsen wird in den Haaren gespeichert und man kann durch eine Untersuchung von der Wurzel bis zur Spitze recht genaue Angaben über aufgenommenes Arsen und auch den Zeitpunkt machen.
    Solche Haarproben, von den derzeitigen Besitzern dieser Reliquien großzügig zur Verfügung gestellt, wurden 1955 im Gerichtsmedizinischen Institut der Universität Glasgow und 1994 vom FBI in Amerika untersucht. Mit Neutronen aus einem Kernreaktor beschossen, werden die Haare zur Aussendung radioaktiver Strahlen angeregt, woraus der Arsengehalt exakt

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