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Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Titel: Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bankl
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Erkenntnisse aus dem nichtchristlichen Kulturraum; was der päpstlich-klerikalen Dominanz gar nicht passte. Konkurrenz und Überlegenheit wurden gefürchtet, die Pharmazie als Alchemie, Magie und Hexenkunst denunziert. Das spanische Toledo, die Eintrittspforte der arabischen Hochkultur und ihrer Wissenschaften ins Abendland, galt aus solchen Gründen als Stadt der Zauberer und Magier. Zwangsläufig entstand daraus die Kontrollfunktion der Ärzte über die Apotheker. Dies spielte sich so ab, wie wir es ja auch heute noch bei rivalisierenden Berufsgruppen beobachten können: Die alteingesessene, dazu noch akademisch graduierte Doktorenclique wollte nicht akzeptieren, dass die Apotheker in einem Spezialgebiet mehr Wissen besäßen und unterdrückten sie streng. Es wurden Apothekerordnungen erlassen, die den Ärzten Kontrollfunktionen, bis hin zu regelmäßigen Visitationen einräumten.
    Mit der Renaissance kam es schließlich auf breiter Front zur Verdrängung des arabischen Kulturgutes aus Europa. Eine der Folgen war, dass die Apotheker immer mehr in Misskredit gerieten: Man nannte sie durch die »Schlechtigkeit der Araber verdorben« und glaubte sie »in die stinkende Lache der Araber gefallen«. Die Apotheker wurden zwangsläufig immer misstrauischer und feindseliger behandelt und nicht selten sogar selbst angeklagt:
    Am 24. März 1656 teilte etwa der Bürgermeister von Gera in Thüringen der Medizinischen Fakultät von Leipzig in einem Schreiben mit, dass der Apotheker Johann Kaspar Eylenbergk vor Gericht bekannt hatte, »dass er einer unverheirateten Frau, welche über ausbleibende Menstruation klagte, ohne Wissen des Arztes ein Mittel gegeben habe«.
    Das Rezept lag bei, es enthielt Juniperus Sabina und Sennesblätter. Am Tag, nachdem die Frau das Mittel zum ersten Mal genommen hatte, gebar sie ein totes Kind, welches sie heimlich in einem Acker versteckte. Die Frage an die Fakultät lautete: Hat
der Apotheker Kräuter verschrieben, welche eine Fruchtabtreibung bewirken können?
    Die Fakultät hielt fest, dass ein Apotheker allgemein keine menstruationsfördernden Mittel und keine Abführmittel ohne Wissen des Arztes verkaufen dürfe. Im Rezept seien die purgierenden Mittel zwar vorsichtig dosiert, Juniperus Sabina sei aber ein wirksames Abortivum. »Also sind wir der Meinung, dass durch diese Pille bei dieser schwangeren Frau ein Abort notwendigerweise eintreten musste.« Juniperus Sabina ist eine Wacholderart und wurde im Volksmund auch »Mägdeblume« bzw. »Kindermord« genannt. In diesen Namen drückt sich bereits die abortive Wirkung aus.
    So kam es, dass man bis in die Neuzeit in Fragen von Vergiftungen nicht die Apotheker befragte, sondern den an einer christlichen Universität ausgebildeten Arzt, auch wenn dieser von Chemie und Toxikologie wenig Ahnung hatte.
    Irgendwie glitt dieser Konkurrenzneid mit der Zeit ins Groteske ab. Im 17. Jahrhundert hieß es, »die Apothekenarbeit, also das Salbenverkaufen, sei des Arztes unwürdig«, und weiter, der Apotheker dürfe sich ja nicht ins »Krämergeschäft mit Kerzen, Fackeln oder Wein« mischen, keinesfalls ein Medikament ohne Rezept verkaufen und er müsse sich außerdem genau an die Verschreibung halten. Weitere Vorschriften waren, nicht spielen, nicht trinken und ein keusches Leben führen, um nicht in Giftaffären verwickelt werden zu können; verheiratete Apotheker waren ledigen daher vorzuziehen. Sorgfältig müsse auch darauf geachtet werden, dass ein Apotheker nicht heimlich Abtreibungsmittel verkaufe. Da es schließlich Apotheker gäbe, die »wie Läuse vom Blut anderer leben« sei auf überhöhte Preise zu achten. Auf diese Weise entstand der Begriff »Apothekerpreis«, der sich in verschiedenen Regionen bis heute gehalten hat.
    Mit dem Aufschwung der Chemie im 18. und 19. Jahrhundert wurde die Pharmazie endlich zu einem Partner der Medizin.

    Und es war nicht zuletzt die Forderung der Gerichtsärzte nach Möglichkeiten zum Giftnachweis, welche Apotheker und Ärzte wieder zusammengeführt hat.
    Der Apotheker Carl Wilhelm Scheele (1742-1786) und der Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) schufen, um zum Ausgangspunkt zurückzukehren, die frühesten Nachweismethoden der Arsenvergiftung. Der Spanier Mathieu Joseph Bonaventure Orfila (1787-1853) war promovierter Arzt und erhielt 1819 in Paris eine Professur für gerichtliche Chemie. Er wurde zum ersten großen Giftexperten Europas.

»… glaubte man gar, er sei vergiftet worden«
    Äußere Veränderungen

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