Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
sie für ihre Zwecke der Heilsversprechen nach dem Tode eingesetzt. Es ist ja wirklich eindrucksvoll und aufwühlend, wenn ein Betroffener über solche Erlebnisse berichtet. Jedoch sollte man bei aller Begeisterung und Jenseitszuwendung nicht vergessen, dass alle diese Phänomene an jungen gesunden Versuchspersonen experimentell ganz einfach zu erzeugen und also ohne Sterbensumstände nachvollziehbar und wiederholbar sind.
Im Universitätsklinikum Rudolf Virchow in Berlin wurde 1994 an 42 jungen Menschen durch experimentelle Einschränkung
des Blutkreislaufes ein Sauerstoffmangel im Gehirn erzeugt. Letzterer bestand bis zu 22 Sekunden, die Versuchspersonen wurden bewusstlos. Nach dem Wiedererwachen berichteten sie einhellig über »Out of body«-Eindrücke, Lebensrückblicke, Licht- und Tunnelerscheinungen, den Übertritt in eine andere Welt, Stimmen- und Gesichtererkennen, Wohlgefühl und Schmerzlosigkeit. Einer sagte wörtlich: »Ich denke, wenn ich in diesen Momenten hätte sterben sollen, so wäre ich sofort damit einverstanden gewesen.«
Diese Experimente zeigen, dass solche Erlebnisse nicht an das Sterben und ein Jenseits gebunden sind, sondern durch Sauerstoffmangel im Gehirn erzeugt werden können. Auch bei Drogenkonsum, z. B. LSD, können derartige Erlebnisse auftreten.
Es ist bekannt, dass Angst, Sauerstoffmangel, diverse Drogen und dergleichen im Gehirn zu breit gestreuten, zufälligen Entladungen der Neurone führen. Je nachdem, wo dieses »Feuern der Neurone« nun auftritt, ergeben sich verschiedene Effekte. Geschieht dies im Schläfenlappen, so werden Schwebe- und Fliegerfahrungen, blitzartige Rückblenden und Gefühle religiösen Inhalts hervorgerufen. Im Sehsystem des Gehirns sind die Zellen so organisiert, dass viele das Zentrum des Sehfelds versorgen und weit weniger die Peripherie. Wenn nun alle Zellen nach dem Zufallsprinzip feuern, entsteht der Eindruck von »heller« in der Mitte und »dunkler« an den Rändern. Das ist der Ursprung des Tunnelphänomens.
Nah-Todeserfahrungen entstehen im noch lebenden Gehirn und sind nicht unbedingt ein Blick in ein anderes »Leben« nach dem Sterben. Da das Sterben individuell völlig unterschiedlich abläuft, kann nicht generell auf solche Erlebnisse gehofft werden. Diese einfachen, experimentell jederzeit reproduzierbaren Phänomene zu religiös-ideologischen Zwecken zu missbrauchen ist unredlich.
»Nah-Todeserfahrungen« haben mit dem Tod nichts zu tun, die Bezeichnung ist irreführend. »Erlebt« man etwas, so arbeitet das Gehirn und wir können uns erinnern. Sterben wir, so stirbt auch das Gehirn, und wir haben kein Organ mehr, um weiter sehen, fühlen und vor allem uns erinnern zu können. Wenn wir uns an nichts erinnern, so haben wir nichts davon, denn wir wissen ja dann von einer Sekunde auf die andere nicht, was los ist. Desgleichen ist ja auch ein Schlaf ohne Traum nicht sehr interessant, denn wir erinnern uns nicht.
Warum sind Nah-Todeserlebnisse so eindringlich und im Bewusstsein so erfolgreich? Sie verdrängen die Angst vor dem Tod, wirken beruhigend, was Sinn und Zweck des Lebens angeht, und werden von unserem Gehirn als »Wahrheit« akzeptiert, weil wir an solche Aussichten glauben wollen. Wenn man eine wunderbare Nah-Todeserfahrung erlebt hat, so bedeutet dies doch, dass man ein guter Mensch ist und schon fast in den Himmel gekommen wäre. Und das wollen doch alle!
Mit dem Tod ist noch lange nicht Schluss
Die Biografien bekannter Persönlichkeiten gehen mit dem Tod jener Leute zwar zu Ende, denn »bios«, also »das Leben«, ist aus. In einzelnen Fällen ist aber die irdische Wanderung noch nicht zu Ende und von einer letzten Ruhe kann keine Rede sein. Es gibt so etwas wie die postmortale Fortsetzung der Biografie, also was mit dem Leichnam so alles geschehen ist. Da werden Körperteile amputiert, Reliquien hergestellt, Skelette ausgegraben, Särge vertauscht, und an abenteuerlichen Geschichten mehr.
Kopfjägerei
In den Kulturen der alten Völker geschah es nicht selten, dass Köpfe abgetrennt wurden. Man schrieb ihnen eine magische Bedeutung zu, erkannte den Kopf als Sitz der Gedanken und das Gesicht als Erkennungsmerkmal der Person. Daher wurden besiegte Feinde geköpft, später nur mehr skalpiert, die Schädel oft öffentlich ausgestellt. Die Köpfe der eigenen Herrscher und würdigen Vorfahren bewahrte man zur kultischen Verehrung auf, meist in der Hoffnung, so den überragenden Geist des Verstorbenen auf die
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