Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
erleben. Aber so ganz tot sein darf man nicht, denn wir sollen uns ja in einem röhrenförmigen Kanal auf ein Licht zu bewegen, wo wir schon von Personen erwartet werden, und dort ist dann das Jenseits oder was auch immer. Das alles werden wir sehen und empfinden, allerdings ohne Hirn, denn dieses ist ja nach dem Sterben kaputt und tot.
Für das alles hat sich der Begriff »Nah-Todeserfahrung« oder auch »Schwellenerlebnisse zwischen Leben und Tod« eingebürgert. Dass es solche Erlebnisse gibt, steht außer Zweifel. Durch Intensivmedizin und Reanimation ist es möglich geworden, immer mehr Menschen aus Grenzsituationen ins Leben zurückzuholen, und diese berichten dann über ihre »Erlebnisse«. Aber das funktioniert auch bei anderen Gelegenheiten: in der Narkose, bei Erstickungsanfällen, im Halbschlaf, beim Erwachen oder vor dem Einschlafen und bei so genannten Trance-Zuständen. Es sind Erlebnisse, also lebt man dabei. Geschildert wird eine Änderung des Raum-Zeiterlebens, d. h. die Betroffenen fühlten sich tatsächlich in einer anderen Welt, teils zu einem Punkt geschrumpft, teils wie ins Unendliche ausgebreitet. Dies ist verbunden mit einem Glücksgefühl und danach der Enttäuschung, zurückkehren zu müssen. Häufig kommt es zu Lichthalluzinationen, Tunnelphänomenen und einer Schein-Existenz außerhalb des eigenen Körpers.
Im Unterschied zum Traum sind die Sterbeerlebnisse durch ein gesteigertes Bewusstsein charakterisiert.
Meist gliedert sich eine Nah-Todeserfahrung in drei Stufen, die hintereinander ablaufen.
1. Austritt des Ich, »Out of body«-Erlebnis
Das Ich tritt aus dem Körper und nimmt diesen von außen wahr, d. h. man »sieht« meist von oben her seinen eigenen Körper daliegen. Es entsteht zwar eine Distanzierung zwischen Körper und Psyche, jedoch gibt es noch eine Beziehung des erlebenden Ichs zum Körper sowie der Umwelt. Nur, wer eigentlich etwas sieht, bleibt unklar, denn es gibt nur zwei Augen, und die bleiben im Körper. Diese Trennung von Leib und »Seele« ist eine uralte und nicht seltene Erfahrung der Menschen. Viele Leute haben das schon durchgemacht, also »erlebt«, und sind nicht gestorben, denn sie konnten darüber berichten.
2. Ablauf des »Lebenspanoramas«, Zeitrafferphänomen
Das Ich erlebt zeitlich gerafft in rückwärtiger Folge, d. h. vom Sterbeerleben bis zur ersten Erinnerung wichtige Ereignisse seines Lebens und bewertet sie moralisch. Es geschieht eine Art Vergangenheitsbearbeitung. Bekanntestes Beispiel ist der Absturz im Gebirge, wenn innerhalb von Sekunden unzählige Lebensstationen wie im Film ablaufen. Viele Bergsteiger haben schon solche Erlebnisse gehabt. Besonders interessant daran ist, dass die Beurteilung des eigenen Lebens, natürlich in den verschiedenen Kulturkreisen, sehr unterschiedlich erfolgt. Ein nepalesischer Sherpa bewertet nach anderen Kriterien als ein amerikanischer Hobbybergsteiger.
3. Lichterleben, Verwandlung in eine andere Dimension
Dies ist eine in die Zukunft gerichtete Ich-Ausweitung, die als Verwandlung erlebt wird. Es kommt zu einer Wandlung in eine
Form- und Gestaltlosigkeit jenseits unseres Raum- und Zeitgefühles, gepaart mit hellen Lichterscheinungen. Vor allem als »Licht am Ende einer Röhre«. Physikalisch ausgedrückt, wäre es der Übergang in eine andere Dimension, medizinisch wissen wir über solche veränderliche Raum-Zeit-Strukturen bei veränderten Bewusstseinszuständen. Greifen wir als konkretes Beispiel den alternden Menschen heraus, der zunächst die zeitliche und örtliche Orientierungsfähigkeit verlieren kann, zuletzt die Beziehung zur eigenen Person: Er weiß nicht, wo er sich befindet, er weiß nicht, wie spät es ungefähr ist, schließlich weiß er nicht mehr, wer er eigentlich selbst ist. Ein solcher Zustand ist aber nicht sehr erstrebenswert.
Formal sind die Sterbeerlebnisse für alle Menschen dieser Erde gleich, die Details sind in den verschiedenen Kulturräumen abhängig vom jeweiligen kulturellen und religiösen Weltbild, von der Persönlichkeitsstruktur und der Biografie des Erlebenden.
Gläubige Christen sehen Jesus, während Hindus ihre Gottheiten treffen und so weiter. Es gibt Berichte, wonach Christen den hl. Petrus an der Himmelspforte gesehen haben, aber es gibt bisher keinen berichteten Fall, in dem ein bestimmter Gläubiger eine Gottheit aus einer anderen Religion getroffen hätte.
Natürlich haben Zauberer, Priester und Religionsgemeinschaften sich dieser Phänomene angenommen und
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