Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
sich hier an Greueltaten abgespielt hat, ist unfassbar. Halb verweste Leichen von Kleinkindern liegen neben Erwachsenen, Schussverletzungen sind oft noch feststellbar. Massengräber werden laufend neu entdeckt, manchmal findet man nur die Erschießungsstätten mit den Blutspuren und Projektilen, jedoch keine Leichen. An solchen Orten wurden die Leichenhaufen durch Sprengstoff in die Luft gejagt und buchstäblich pulverisiert. Besonders raffiniert waren jene Killerkommandos, die ihre Opfer vor der Hinrichtung zwangen, ihre Kleider zu tauschen. Damit wird eine Identifizierung illusorisch. Gebissabdrücke liefern in dieser Gegend auch keine Hinweise, denn welcher kosovoalbanische Bauer hatte schon die Möglichkeit, sich vom Zahnarzt behandeln zu lassen. DNA-Analysen kann niemand bezahlen. Gerichtsmediziner versuchen, Todesursachen zu rekonstruieren. Was dabei herauskommt, ist ebenfalls schrecklich. Beispiel: Männliche Leiche, etwa 50 Jahre alt, Kopfschuss. Das Projektil drang durch die Stirn ein, am Mundboden wieder aus und blieb in der rechten Brustwand stecken. Der Mann muss bei Eintritt des Schusses seinen Kopf nach vorne geneigt
haben, wahrscheinlich hatte man ihn gezwungen, sich hinzuknien, bevor er erschossen wurde.
Auf sämtlichen Kriegsschauplätzen der Welt sind zu allen Zeiten Leichen von Soldaten zurückgeblieben. Die natürlichen Zersetzungsprozesse haben die materiellen Rückstände in den biologischen Kreislauf der organischen Substanzen zurückgeholt. Manchmal verhindert dies jedoch die moderne Technik.
Eine makabre Altlast aus dem ersten Tschetschenien-Krieg wird zur Bedrohung für Grosny. In fünf in der Umgebung der tschetschenischen Hauptstadt abgestellten Kühlwagons liegen Hunderte Leichen russischer Soldaten, Gefallene aus dem 1996 beendeten Konflikt. Die Toten waren aus der Stadt Rostow am Don nach Tschetschenien gebracht worden. Hier sollten sie angeblich in einem Labor identifiziert werden. Dieses Labor aber existiert vorerst noch nicht. Da die Kühlung in den zum Teil defekten, zum Teil aufgebrochenen Wagons aussetzt, lässt die sommerliche Hitze die Körper rasch verwesen. Ein Arzt aus Grosny hat bereits vor Seuchen gewarnt, die makabre Fracht stelle ein unkalkulierbares Infektionsrisiko dar.
Diese Zustände waren die Situation von 1996. Ob sich seither etwas Wesentliches geändert hat, ist nicht mehr bekannt geworden.
Neues vom Geschlechtsverkehr
Sex oder Schneeschaufeln
Es ist selten, dass ein Pathologe oder Gerichtsmediziner jenen Toten beneidet, den er gerade seziert. Manchmal kommt es jedoch vor.
Erwünscht wird doch allgemein das plötzliche, unerwartete und vor allem schmerzlose Sterben. Wir sagen meist dazu, es trifft den Menschen wie der Blitz aus heiterem Himmel, er fällt um und wenn er am Boden ankommt, ist er bereits tot.
Etwas ganz Besonderes ist natürlich der Tod während eines Geschlechtsverkehrs. Nicht zu Unrecht wird das Einsetzen des Orgasmus, pikanterweise auf Französisch, »petit mort«, »der kleine Tod«, genannt. Der Atem stockt, es schwinden alle übrigen Empfindungen, man rast der Glückseligkeit entgegen - dabei nicht mehr aufzuwachen ist wahrhaft ein glückliches Ende.
So weit, so schön! Die blanke Statistik zeigt jedoch, dass man mit einem solchen Ereignis nicht spekulieren soll, denn es ist selten. Nimmt man als Kollektiv alle Fälle eines plötzlichen, unerwarteten Todes, so treten nur 0,6 % während des Geschlechtsverkehrs auf, anders formuliert: Jeder 164. plötzliche Todesfall ist ein »mors in coitu«.
Charakteristika des mors in coitu
• Wesentlich häufiger (85 %) bei Männern als bei Frauen (15 %)
• Häufiger beim außerehelichen Verkehr (75 %)
• Häufiger in ungewohnter Umgebung
• Häufiger mit jungen Partnern
Quelle: Nihou University School of Medicine, Tokyo, Department for Legal Medicine.
Während des Geschlechtsaktes steigen Blutdruck, Herzfrequenz, Atemtätigkeit und Sauerstoffverbrauch an. Kommt es zu einem tödlichen Ereignis, so ist es ein akutes Herzversagen. Die Position des Mannes (MOT = male-on-top oder MOB = male-on-bottom) macht dabei keinen Unterschied. Diesbezügliche Empfehlungen an ängstliche Patienten sind daher sinnlos.
Die körperliche Belastung beim Geschlechtsverkehr ist im Vergleich mit anderen alltäglichen Verrichtungen erstaunlich gering und entspricht etwa dem Stiegensteigen. Aber jedermann weiß, dass es auch zu lange und zu steile Stiegen geben kann. Als Faustregel kann gelten: Der
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