Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
wahrscheinlich während eines Umzuges des Museums.
Geschätzte Zahl der Leichen, die jedes Jahr in den indischen Fluss Ganges geworfen werden
3000
Anzahl der Tonnen von teilweise verbrannten sterblichen Überresten, die ebenfalls in den Ganges geworfen werden
28 820
Anzahl der Schildkröten, die gezüchtet wurden, um das verwesende Fleisch zu vertilgen
1800
Umbetter
Bei einem der zur Zeit aktuellen Quiz-Gewinnspiele im Fernsehen könnte eine Frage lauten: Was ist ein Umbetter? Antworten zur Wahl:
1. Jemand, der in der Nacht mehrere Betten benützt.
2. Ein Designer für Bettenmode.
3. Einer, der von der vorletzten zur letzten Ruhe umbettet.
Im Lexikon von Brockhaus sowie im Meyer findet man dazu nichts. Das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm kennt wenigstens den Begriff »umbetten« und erklärt ganz richtig »Bestatten der Toten in ein anderes Grab«.
Umbetter stehen meist im Dienst der Kriegsgräberfürsorge und haben die Aufgabe, gefallene Soldaten, die nur mehr oder weniger notdürftig verscharrt wurden, zu identifizieren und in ihr jeweiliges Heimatland zurückzubringen. Bei dieser Arbeit gibt es keine Feinde und Gegner mehr!
Hunderttausende Tote des Zweiten Weltkrieges liegen noch immer verstreut, vom Polarkreis bis Nordafrika, von Stalingrad bis zur Normandie und darüber hinaus. Zum Umbetter wird man aus Berufung, das ist nichts für einen einfachen Brotberuf. Es geht nicht nur um die unermesslichen menschlichen Tragödien, mit denen man konfrontiert wird, es geht nicht nur darum, täglich mit Leichenresten beschäftigt zu sein, es geht vor allem um die Zweifel, ob man suchenden Hinterbliebenen ihren Toten zurückgeben kann oder nicht. Nicht selten sind es jene Fälle, bei denen eine Fülle von Indizien für eine bestimmte Identität sprechen,
die dann durch eine einzige Unklarheit, einen einzigen Umstand zunichte gemacht wird. Bis schließlich nachträglich doch noch eine Erkennungsmarke auftaucht oder eben nicht.
Der Umbetter arbeitet auf freiem Feld oder in versteckten Geländesenken, im Wald oder auf planierten Lehmböden, natürlich auch auf mehr oder weniger organisierten Friedhöfen. Wer es nicht selbst sieht, hat kaum eine Ahnung, was man alles an einem Skelett und einigen wenigen weiteren Fundstücken feststellen kann.
Einmal war ich bei einer solchen Umbettung dabei: Im Wienerwald, vor allem in der Gegend um Alland, wurden im April 1945 viele Angehörige der Roten Armee bei Luftlandeunternehmen getötet. Das war die Ausgangslage. Unter Führung eines Umbetters gingen wir durch den Wald, als er auf eine flache Bodenmulde wies. Die eingesunkene Erde könnte eine Begräbnisstelle markieren. Mit einem Spaten wurde die Oberfläche abgetragen und bald kamen Knochen zum Vorschein. Der Schädel fehlte. Dies sei fast immer so, erklärte man mir, die Köpfe seien von Tieren ausgegraben und verschleppt worden. Sonst war das Skelett ziemlich vollständig und klar als das eines jungen Mannes zu erkennen. Kleiderreste gab es, jedoch nicht mehr identifizierbar. Die entscheidenden Funde betrafen einen sowjetischen Luftwaffendolch und das Abzeichen der Fallschirmjäger. Damit konnte die Truppenzugehörigkeit bestimmt werden. Wir packten alle Skelettreste in einen Sack, die nächsten Schritte waren dann genaue Altersbestimmung, Fahndung in der russischen Vermisstenliste und Meldung bei der internationalen Suchstelle. So sieht dann die Büroarbeit eines Umbetters aus. Mein Begleiter erzählte mir, dass er in dieser Gegend schon 197 notdürftig verscharrte Soldaten entdeckt hatte.
Es gibt jedoch noch eine andere Art der Soldatensuche. In den westrussischen Wäldern und Sümpfen liegen unzählige deutsche
und sowjetische Kriegsgefallene. Sie aufzuspüren und auszurauben ist im heutigen Russland lukrativ. Gesucht werden vor allem Devotionalien des Dritten Reiches, wie Dolche, Abzeichen und Orden, Waffen, Erkennungsmarken und vor allem Zahngold. All das bringt Devisen. Allein in Nordwestrussland vermutet man noch die Überreste von 1,5 Millionen russischer Kriegstoten und von 400 000 deutschen Soldaten.
Aber es geht nicht nur um Vermisste aus dem Zweiten Weltkrieg. Krieg ist bekanntlich ständig irgendwo auf dieser Erde. Uns Mitteleuropäern am nächsten ist derzeit die Tragödie im Kosovo. Umbetter, Kriminalisten und Gerichtsmediziner sind dort tätig, um die bei »ethnischen Säuberungen« verschleppten und ermordeten Zivilpersonen zu identifizieren und zurückzubringen. Was
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