Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
Geschlechtsverkehr bedeutet für den Organismus eine ähnliche starke körperliche Belastung wie zehn Minuten Schneeschaufeln, ein paar Stockwerke Stiegensteigen oder eine lockere Fahrradtour. Dazu kann man wirklich nur sagen: Erst der Vergleich macht uns sicher!
Durch die Einführung des Potenzmittels Viagra hat sich doch einiges geändert. Etwa 40 % der Männer im Alter zwischen 40 und 70 Jahren leiden an einer erektilen Dysfunktion, d. h. sie können dann nicht so recht, wenn sie wollen. Viagra unterstützt den Bluteinstrom und damit die Versteifung des Penis, allerdings nur dann, wenn eine sexuelle Stimulation erfolgt. Die Wirkung hält einige Stunden an. Es kommt zu einer vorübergehenden
Blutdrucksenkung, Puls und Herzfrequenz bleiben völlig unbeeinflusst. Das bedeutet, dass Viagra als Medikament ungefährlich ist. Dagegen kann gefährlich werden, was ein Mann, unterstützt von der Viagrawirkung und entsprechend sexuell stimuliert, in dieser Zeit so alles treibt. Wenn die Aktivitäten dann weit über das Schneeschaufeln hinausgehen, ist es wie bei jeder körperlichen Überanstrengung: der Untrainierte und Ungeübte ist in Gefahr. Nicht Viagra ist schuld, wenn etwas passiert, sondern der Mensch, der übertreibt.
Einen signifikanten Anstieg der Todesfälle beim Geschlechtsverkehr hat es seit Beginn der Viagra-Zeit nicht gegeben.
Zu viel des Guten
Beim Geschlechtsverkehr mit letalem Ausgang ergibt sich ein beträchtliches Problem für den Überlebenden. Was tun mit der Leiche? Was und wo melden? Meistens ist es ja so, dass die Partner nicht miteinander verheiratet waren und sich die Geschichte in einer fremden Wohnung oder einem Hotelzimmer abgespielt hat. Es bleibt nichts anderes zu raten, als die Wahrheit zu sagen, denn es fliegt sowieso auf. Notarzt rufen, erzählen, was passiert ist. Stellt der Arzt den Tod fest, bleibt der Leichnam, wo er ist, gibt es noch Reanimationschancen, nimmt die Rettung den Patienten sofort mit. Im Todesfall muss die Polizei alarmiert werden, es kommt zu Ermittlungen und einem Protokoll, schließlich wird der Totenbeschauarzt gerufen. All diese Leute kennen solche Situationen und sind meist verständnisvoll. Vertuschen lässt sich nichts.
Franz T., 72 Jahre, wurde mit der Rettung tot in ein Krankenhaus gebracht. Einen Notarzt im heutigen Sinn gab es damals noch nicht, die Rettungsmannschaft nahm den Toten nur deshalb
mit, weil es sich um einen prominenten Politiker handelte. Auch erforderten es die äußeren Umstände, dass rasch etwas unternommen wurde. Und diese Umstände waren doch ein wenig delikat. Franz T., seit Jahrzehnten verheiratet, lag in der Wohnung seiner Freundin und war unbekleidet. An der Peniswurzel befand sich ein doppelt geschlungener Gummiring sowie ein buntes Stoffband mit einer kleinen Schleife.
Bei der Obduktion stellten wir einen akuten Koronartod fest, d. h. ein plötzliches Herzversagen bei hochgradiger Arteriosklerose der Herzkranzgefäße. Das deckte sich auch mit der Aussage der beteiligten Dame. Es geschah nämlich bei den Vorbereitungen zum Geschlechtsverkehr, dass nach Anwendung von Erektionshilfen Franz T. ohne Kommentar leblos umkippte. Das Vorspiel endete als Trauerfall.
In der Vor-Viagra-Ära war die Verwendung von Gummiringen ein beliebtes Mittel. Dieselben schnürten den Penis nur so weit ein, dass Blut in den Arterien zwar zufließen, jedoch durch die komprimierten Venen gestaut blieb. Es funktionierte meistens, und der gewünschte Erfolg stellte sich ein.
Da Sex aber eine Herzensangelegenheit ist, weil durch den Blutdruckanstieg die Herzbelastung erhöht wird, kann die geforderte Leistung auch manchmal zu viel werden.
Weitere Sexualzwischenfälle
Es muss nicht mit dem Tod enden. Ein arger Schicksalsschlag kann Frauen treffen: die Sperma-Allergie. Die Symptome sind Asthmaanfälle, Nesselausschlag und Schmerzen im Unterbauch. Das ursächliche Allergen ist ein Eiweißkörper im Sekret der Prostata, nicht individualspezifisch, d. h. den Geschlechtspartner zu wechseln bringt gar nichts.
Weitere typische und auch kuriose Verletzungen während des Geschlechtsaktes sind bekannt und manchmal auch Gegenstand gutachterlicher Untersuchungen. Schließlich handelt es sich ja um Körperverletzungen und dabei hört sich dann zuweilen die Liebe auf.
Wesentlich häufiger betroffen sind Männer, und zwar aus anatomischen Gründen. Im Gegensatz zum Genitalapparat einer Frau, der so konstruiert ist, dass er den Belastungen während einer
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