Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
und Selbstmedikation führt.
Auf jeden Fall fühlen sich die Patienten schon sehr gescheit, wenn sie danach einen Arzt aufsuchen und herrlich mit ihm diskutieren können, was für sie am besten sei. Die eingestreuten Reklameanpreisungen sind umfassend und reichen von der
Zahnpaste bis zur Vaginalcreme. Schlimm sind auch die regelmäßigen Auftritte der Radio- und Fernsehdoktoren. Diese vermitteln mit sanfter Stimme und stets adrettem Aussehen den Eindruck, die Krankheiten seien ohnehin nicht so schlimm, wenn man nur all das macht, was geraten wird. Vielleicht ist es sogar Absicht, dass diese ärztlichen Medienstars für den größten Teil der Patienten unerreichbar sind, denn kaum einer von ihnen akzeptiert einen Krankenschein.
Schauspieler spielen Ärzte
Explosionsartig zugenommen haben die Fernsehserien, bei denen Ärzte im Mittelpunkt stehen. Im deutschen Sprachraum hat es mit der Schwarzwaldklinik angefangen, im angloamerikanischen TV gab es das schon früher. Inzwischen kann es sich kein Sender mehr leisten, nicht mindestens eine Arztserie pro Woche zu senden. Das Angebot ist weit gespannt und reicht vom Bergdoktor über den Landarzt zum Operationssaal, der Dr. Bruckner ruft. Dazu kommen Kurzgeschichten aus dem Krankenhausalltag, vorzugsweise der Notaufnahme, Arztauftritte in Kriminalfilmen sowie Serien über männliche und weibliche Gerichtsmediziner. Abgesehen davon, dass die medizinische Wirklichkeit viel spannender ist, sind leider allzu viele Fehler in diesen konstruierten Arztgeschichten. Es wäre gegen diesen Schwachsinn ja nichts einzuwenden, würde nicht ein Klischeebild des Superarztes vorgegaukelt, das manche Patienten dann sogar glauben.
Ein typisches Beispiel ist der Alleskönner: Er behandelt mit der gleichen Souveränität Lungenentzündungen und Hirntumore, vormittags ist er Eheberater und nachmittags Herzchirurg; in der Nacht verfolgt er noch den Entführer des Kindes einer Patientin. Er macht nie einen Fehler, und wenn doch, stellt er sich am Ende als Glücksfall heraus.
Wenn man ein solches Multitalent mit Röntgenblick und goldenen Händen stereotyp vorgesetzt bekommt, dann glauben viele Menschen, das sei der eigentliche Standard des Arztberufes. Die Erwartungshaltung der Patienten ist dementsprechend groß. Läuft dann nicht alles zu ihrer vollsten Zufriedenheit, so wird rasch der Weg zum Beschwerdeanwalt gefunden.
Das Interview mit einem Beteiligten
Das Nachrichtenmagazin Focus hat am 23. Oktober 2000 (Heft 43) ein Kurzinterview mit dem Schauspieler Ulf J. Söhmisch gebracht, einem Mann, der den meisten Fernsehzuschauern bekannt ist. Es handelt sich um jenen Schauspieler, welcher schon seit 18 Jahren den Gerichtsmediziner in der TV-Serie Der Alte verkörpert. Er hat jeweils nur Kurzauftritte, die meistens nur aus zwei Sätzen bestehen:
»Der Tod ist vor etwa zwei Stunden eingetreten.«
»Näheres, wie immer erst nach der Obduktion.«
Er sagt, wie das Drehbuch es vorschreibt, also immer das Gleiche, und das hat mit der Realität nichts zu tun. Ich persönlich wünsche mir, dass so ein Krimi-Arzt einmal extemporiert und feststellt: »Leo, die Leiche ist tot!« Ob es wohl jemandem auffallen würde?
Der Schauspieler Söhmisch beendete das Interview mit den Worten: »Ich bin schon sehr glücklich, dass meine Leichen immer wieder aufstehen, weiter leben und nach Hause gehen. Ich selbst möchte mal im Studio sterben, dann müssen andere meine Leiche untersuchen.« Ich finde, dies ist eine sehr gesunde und vernünftige Einstellung zum Leben und zum Tod.
Einen Gerichtsmediziner leisten sich im Übrigen nur wenige TV-Serien. Columbo kommt ohne ihn aus, desgleichen der Bulle von Tölz . Dagegen ist es bei Quincy sogar die Hauptfigur und
auch der Dr. Graf in Kommissar Rex hat eine respektable Rolle. Immer wieder treten auch Frauen als Gerichtsärztinnen auf, was natürlich die uralte Kombination von Erotik und Tod beschwört.
Eine Mischung aus Groteske und Krimi wird es allerdings dann, wenn jemand als Gerichtsmediziner auftritt, dem durch sein Wirken im Fernsehen sonst eher die Unterhaltung der harmlosen Gemüter zukommt. So geschehen am 29. Oktober 2000, als in der ARD in einem Tatort der Volksmusikant Karl Moik einen Gerichtsarzt spielte. Einer wurde allerdings vermisst: Hansi Hinterseer als Leiche.
Das Delikt Werbung
Eine der kuriosesten Gelegenheiten, bei denen der Arzt mit dem Gesetz in Konflikt und Kollision geraten kann, ist das Verbot einer allzu lauten Werbung
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