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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Geldscheine zwischen den Buchseiten seine Prämie für den Job im Gewächshaus. Vielleicht.
    Kurz entschlossen drückte ich die Küchentür auf und schlich so leise wie möglich über den Linoleumboden und durch die Hintertür hinaus in die kalte Februarnacht.

 

43
     
    Ich ließ das Elektroauto an und gab Gas. Ohne die Scheinwerfer einzuschalten, fuhr ich an der Steinmauer entlang um das Haus herum, wo mich Phelps und der Kapuzenjunge nicht sehen konnten und ich, dessen war ich mir sicher, bald wieder auf einen der Hauptwege gelangen würde.
    Mit der untergehenden Sonne schien sich der Wind gelegt zu haben. Ich war dankbar für das Dach und die Windschutzscheibe, die mir etwas Schutz vor dem Frost boten. Meine Jacke hing noch über dem Küchenstuhl, aber glücklicherweise trug ich unter meinem Kaschmirpulli noch ein Seidenhemd.
    Der Weg führte an einem eingezäunten, mehrere Hektar großen Gelände entlang, auf dem man die Vegetation mit Frostschutzfolien abgedeckt hatte. Ich raste durch diese urbane Oase aus Rosengärten, Fliederbüschen und Nadelbaumpflanzungen in der Hoffnung, auf Polizisten zu treffen.
    Hatte ich den Mörder identifiziert, der die ganze Zeit vor unserer Nase herumtanzte und dessen kühne Imitation von Poes fiktionaler Ziegelgruft durch Zufall ans Licht gekommen war, als man das alte Haus, in dem der große Meister kurze Zeit gelebt hatte, abzureißen begonnen hatte? Hatten die tragischen Umstände seiner eigenen Kindheit dazu geführt, dass er die fiktiven Qualen des rachelüsternen Meisters der Kriminalliteratur in die Wirklichkeit umsetzte?
    Um kein Risiko einzugehen, ließ ich das Licht ausgeschaltet und verlangsamte an der nächsten Kreuzung die Geschwindigkeit, um die Wegweiser zu entziffern. Vom Kutscherhaus drangen Schreie zu mir herüber – vielleicht stritt sich Phelps immer noch mit dem jungen Mann, vielleicht hatte er aber auch schon seine Rowdys angewiesen, sich an meine Fersen zu heften.
    In der Ferne hörte ich das Gurgeln des Flusses, und ich hielt auf der asphaltierten Straße darauf zu.
    Als ein Schild die Richtung zur Tabakmühle auswies, bog ich in der Hoffnung dorthin ab, davor einige Streifenwagen geparkt zu sehen.
    Ich blieb an der Zufahrt zu dem zweistöckigen Gebäude stehen. Das Haus war stockfinster, weit und breit war kein Auto in Sicht. Natürlich hatte mich Phelps angelogen.
    Ich gab Gas und wollte gerade den Weg zurückfahren, den ich gekommen war, als mir von Phelps’ Kutscherhaus Scheinwerfer entgegenkamen. Also fuhr ich weiter von der Mühle weg. Ich wollte zurück zum Kristallpalast und bog bei der ersten Gelegenheit nach links ab. Ich überquerte eine Steinbrücke – auf dem Schild stand Hester Bridge – und hörte das Tosen des Wasserfalls am Fuße der Bronx-River-Schlucht, wo Dr. Ichiko den Tod gefunden hatte.
    Ich hatte nur zwei Möglichkeiten. Bog ich nach links ab, würde ich direkt auf Phelps oder seine Helfer zufahren. Laut Wegweiser ging es geradeaus zum Gewächshaus und zum Verwaltungsgebäude.
    Ich trat so fest ich konnte auf das Gaspedal und holperte im Eiltempo den Weg entlang, der nach den Schneestürmen der vergangenen Wochen mit abgebrochenen Ästen und Steinen übersät war.
    Vögel und andere Tiere, die in der warmen Jahreszeit den Park bevölkerten, hatten sich in südliche Gefilde verzogen oder hielten Winterschlaf, der ganze Wald war von Finsternis und Stille beherrscht – von einer unheimlichen Stille, wie ich sie in der Stadt noch nie erlebt hatte.
    Vor mir sah ich zwischen den kahlen Baumstämmen die Scheinwerfer eines Elektroautos auf mich zusteuern.
    Ich riss das Steuer herum. Mein Fahrzeug bockte und stieß an die Bordkante, und ich wurde gegen das Armaturenbrett geschleudert. Ich fummelte an der Zündung herum, aber das Gefährt gab keinen Ton mehr von sich. Der Akku war leer.
    Ich sprang aus dem Wagen und sah mich um. Glücklicherweise war der Schnee geschmolzen und der Boden festgefroren, sodass ich keine Spuren hinterlassen würde. Ich versuchte, mich zu orientieren, entdeckte einen schmalen Wanderpfad und begann, durch den Wald zu laufen. Auf einem kleinen Schild stand, dass es sich um ein Tränenkieferwäldchen handelte. Im Schutz der langen grünen Nadeln lief ich immer weiter weg von der Straße in den Wald hinein.
    Ich sah, wie die Scheinwerfer neben meinem Elektrowagen hielten.
    Mike und Mercer würden mich sicher suchen. Es hatte keinen Sinn, durch die Zweige zu spähen, um herauszufinden, wer da gekommen war.

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