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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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bräunlichen Pflanzenspitzen abknipste. Er sah sich unruhig nach allen Seiten um, voller Sorge um sein Heiligtum, und wirkte dabei ängstlicher als ich selbst.
    Als ich die Palmenkuppel erreichte, hörte ich etwas gegen die Eingangstür schlagen, und durch die Fensterscheiben sah ich Mercer, einen Wachmann und zwei Sanitäter. Ich ließ sie herein, rang nach Luft und wies dabei in die Richtung, wo ich Ellen Gunsher und Scotty Taren zurückgelassen hatte, während ich mich bemühte, ihnen die Situation zu erklären.
    Mercer versuchte mich zu beruhigen. »Warum hast du die Sanitäter gerufen?«
    »Ellen hat ziemlich viele Schnittwunden, aber ich glaube, sie sind nur oberflächlich. Sorgen mache ich mir um Scotty. Er hat’s schon länger mit dem Herzen und ist einfach zusammengeklappt.«
    »Tief durchatmen«, sagte Mercer, als ich mich auf den Knien abstützte und nach Luft rang. »Habt ihr euch nicht mit Zeldin getroffen?«
    Ich richtete mich auf. »Doch, er war hier. Hast du ihn denn nicht gesehen?«
    »Nein. Der Wächter meinte, ich hätte ihn gerade verpasst. Er sagt, er sei in einem dieser Kleinbusse davongerast.«
    »Wer hat den Wagen gefahren?«
    »Nach Auskunft des Wächters saß Zeldin selbst am Steuer«, sagte Mercer.
    »Hast du auch ein paar Halbstarke gesehen?«
    »Ja. Als mir der Wächter das Tor aufmachte, rannten drei Kerle nach draußen. In Kapuzensweatshirts, richtig?«
    »Wir müssen es dem zuständigen Polizeirevier melden. Sie haben Ellen in eine stachelige Pflanze gestoßen, und es kam mir vor, als hätte Zeldin ihnen das Signal dazu gegeben.«
    Ein blauweißer Streifenwagen hielt mit eingeschaltetem Blaulicht vor dem Gewächshaus. Wir erzählten den uniformierten Cops die Geschichte noch einmal und schlugen vor, dass sie sich den drei Jungs an die Fersen hefteten. Sie gaben die Personenbeschreibungen über Funk an ihre Kollegen durch mit der Bitte, die Jugendlichen zur Vernehmung aufs Revier zu bringen, und machten sich dann selbst auf die Suche, bevor es zu dunkel wurde.
    »Ein zweiter Krankenwagen ist unterwegs. Willst du hier warten, während ich nach Scotty sehe?«, fragte Mercer.
    »Sicher. Aber falls du einen Gärtner siehst, schick ihn her, damit er mich ablösen kann. Ellen ist fürchterlich zugerichtet. Sie ist völlig aufgelöst – ich bleibe lieber bei ihr.«
    Ich starrte durch die hohen Fenster auf die langen Schatten, die die untergehende Sonne auf die gefrorenen Blumenbeete warf. Angesichts der kargen Landschaft konnte man sich kaum vorstellen, dass in zwei Monaten Osterglocken, Zinnien und Pfingstrosen ihre ganze Farbenpracht entfalten würden.
    Ich erschrak, als das Handy in meiner Jackentasche vibrierte. Vielleicht würde mich das serologische Labor nach diesem blutigen Nachmittag mit einer DANN-Identifizierung unseres Seidenstrumpfvergewaltigers aufmuntern.
    »Hallo?«, sagte ich zögerlich, in der Hoffnung, eine gut gelaunte Antwort von Dr. Thaler zu bekommen.
    »Vielleicht passt dein knochiger Arsch durch dieses Tor, aber ich bin zu dick, um mich hindurchzuquetschen, und zu alt, um drüberzuklettern.«
    »Mike, wo bist du?« Seine Stimme war das beste Gegenmittel für meine Erschöpfung und Depression.
    »Du hast gesagt, die olle Gunshy wäre hier, oder?« Gunshy war Ellens Spitzname, den ihr die erfahrenen Prozessanwälte in Anspielung auf ihre allgemein bekannte Scheu vor dem Gerichtssaal verpasst hatten. »Es hat mir gefehlt, sie blöd anzureden. Ich dachte, ihr zwei Mädels könntet Hilfe gebrauchen. Ich bin zum Tor gekommen, wie Mercer gesagt hat, aber dort war niemand. Also bin ich zum Eingang in der Fordham Road gefahren. Aber hier ist auch zu.«
    »Verdammt, der Wächter vom Mosholu-Tor ist hier bei uns. Es ist etwas passiert – ich erzähl’s dir später. Bist du … glaubst du, dass du –«
    »Na los, Coop. Schnapp dir eins dieser Golfwägelchen und hol mich ab.«
    Ich lief zurück, um Mercer Bescheid zu geben, und stieß mit dem Gärtner zusammen, der mich ablösen sollte. »Sprechen Sie Englisch?«
    »No, señora«, sagte er und schüttelte den Kopf.
    »Mi amigo, el detectivo?«
    »Si.«
    »Lo dice que yo soy buscando un otro amigo. Yo soy buscando Mike. Okay?«
    Ich war mir nicht sicher, ob ich mich verständlich gemacht hatte, verließ mich aber darauf, dass der ruhige Mann Mercer sagen würde, dass ich unterwegs war, um Mike abzuholen. Unter den Umständen war es das Beste, was ich tun konnte.
    Ich drückte die Tür auf und lief den Weg hinunter, auf dem drei

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