Im Schatten der Blutrose - Vampir-Roman (German Edition)
Tränen ausbrechen würde – wobei ich mir stillschweigend
schwor, auf keine der beiden Möglichkeiten einzugehen.
„Ich denke, jetzt verstehe ich. Wobei mir immer noch
unklar ist, warum du dich nicht zu Verwandten geflüchtet hast“, sagte er
vorsichtig.
„Wozu?“, fragte ich bissig. „Die sind keinen Deut
besser. Ich hatte nie jemanden in der Verwandtschaft, der mich auch nur
ansatzweise verstanden hat. Wenn ich versucht hatte, mich ihnen mitzuteilen,
dann nahmen sie meine Worte auf die leichte Schulter und meinten immer nur ‚Alles
wird gut.‘ und so ein Schwachsinn eben.“ Die blauen Augen fixierten meine und
ließen mich so schnell nicht gehen. Eine Weile saßen wir uns so schweigend
gegenüber, als die Schulglocke auf einmal die Mittagspause verkündete.
Mechanisch erhob sich Ayden. „Wo willst du hin?“, fragte ich sofort und biss
mir im Nachhinein dafür auf die Zunge.
„Zum Stammtisch der Familie Phynix“, gab er scheinbar
ungerührt zurück und wandte sich schon ab, als ich tatsächlich die Beherrschung
verlor. Er hatte es tatsächlich geschafft, dass ich meine guten Vorsätze über
den Haufen warf. „Ach, jetzt wo du alles weißt …“ Ich brach sofort ab. Ich hatte
geschrien. Sogar viel lauter als beabsichtigt. Langsam drehte sich Ayden zu mir
um. Anstatt ihm noch einen Blick zuzuwerfen, packte ich meinen Rucksack, warf
ihn mir nicht gerade zimperlich auf den Rücken und rauschte zur Tür … und lief
dort prompt in Allan und John hinein. „Hey, wie wär’s mit uns Beiden heut’
Nachmittag?“, quatschte er mich, wie er wohl fand, cool und lässig von der
Seite an. Das brachte das Fass irgendwie zum Überlaufen. „Na klar, als würde
ich mit so einer …“, ich unterbrach mich wieder.
Mein Temperament ging auf schreckliche Art und Weise
mit mir durch und das hatte ich alles nur dem schwarzhaarigen Typen zu
verdanken, der noch immer dort stand, wo er innegehalten und sich mir zugewandt
hatte. Er sah mich mit leicht geweiteten Augen an und seine Augenbrauen
wanderten vor Erstaunen nach oben. So, wie es in meinem Inneren gerade
brodelte, standen die Chancen gut, dass ich ihm einen hasserfüllten Blick
zuwarf. Um den dramatischen Abgang zu vervollkommnen, rauschte ich durch die
von Vivian offen gehaltene Tür und bog um die Ecke. Bloß gut, ich hatte bald
Sport, dann würde ich mich abreagieren können. Und doch flüsterte eine leise,
unbeliebte Stimme in mir: Es kann noch schlimmer kommen …
Nach allem, was ich bisher erlebt hatte, hätte ich
gedacht, dass ich meiner inneren Stimme mehr Vertrauen zukommen ließ. Doch das
tat ich nicht und dafür wurde ich bestraft. Ich zog mich zusammen mit Vivian
um, die ebenfalls Sport hatte. Ich hätte ihr es eigentlich ansehen müssen, wie
ich im Nachhinein feststellte. Schnell schlüpfte ich in meine kurze,
dunkelblaue Sporthose und mein hellblaues T-Shirt, dann folgte ich der Blonden,
die ich langsam wirklich als Freundin betrachtete, nach draußen auf die im
Nordosten angrenzende, riesige Wiese, die sozusagen zum Sportplatz
umfunktioniert wurde, wenn man nicht gerade im Pool seine Runden zu drehen
hatte. Die zwei aufgestellten und gespannten Netze ließen keinen Zweifel
meinerseits zu: Volleyball war angesagt.
Es war rein zufällig, dass ich zum Lehrer sah, der bereits
mit den Jungen redete und zu erklären schien, worum sich diese Stunde drehen
würde. Doch dieser zufällige Blick stieß mich derart vor den Kopf, dass ich
stehen blieb und Vivian mich fragend ansehen musste, damit ich ihr weiter zu
Mr. Warner folgte. Zwei blaue Augen hoben ihren Blick und fixierten mich,
sobald sie sich sicher waren, dass ich sie ebenfalls ansah. Ich zwang mich, den
nicht gerade sportlich aussehenden Lehrer anzusehen, der gerade die
Mannschaften zusammenstellte. Drei gegen drei. Ich war nicht mit ihm in
einer Mannschaft, aber dafür mit Allen und Vivian. Super. Ich wusste nicht, ob
ich mich ehrlich darüber freuen sollte oder mir bereits ein Szenario ausdenken
sollte, bei dem ich mich aufgrund meines Spieleinsatzes unglücklich verletzte und
nach Hause gehen durfte. Diesen Gedanken schüttelte ich ab, ich musste
schließlich noch nach Hause laufen …
Mein Glück schlug mal wieder zu, was übersetzt hieß,
dass meine Mannschaft gegen seine spielen musste. Da ich meinen
Verletzungsplan aufgegeben hatte, versteifte ich mich vollständig darauf, seine
Mannschaft platt zu machen, was sich als schwieriger erwies, als ich gedacht
hätte. Allein schon, weil
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