Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Ihr einstmals violetter Blick war nun fast schwarz, ihre dunklen Haare hellten sich auf und waren schon grau. Ja, das Mythenland zu beherrschen stellte sie sich äußerst reizvoll vor, jedoch die Götter herauszufordern – dazu fehlte ihr die Naivität. Außerdem war sie nicht glücklich darüber, dass Murgon das Artefakt nutzen wollte, um die Wächter zu rufen. Es musste einen guten Grund geben, warum diese einst aus Unterwelt verschwanden und ihre Festung zurück ließen. Nichts geschah ohne einen Grund.
Sie machte es sich auf einer Liege bequem und streckte die Beine aus. Sie hatte Murgons Furcht gespürt, als sie ihm empfohlen hatte, selbst nach Mythenland zu gehen. Hier war er ein Herrscher, dort oben nur ein Dunkelelf, den man jagen würde wie ein wildes Tier.
Trotzdem war das Risiko kalkulierbar. Murgon war stark und mächtig. Er würde sich Angriffen entziehen können und vor allen Dingen auf dem Rücken eines Drachen das Ei finden, aus dem Sharkan der Vierköpfige, schlüpfen würde – wenn dies nicht schon geschehen war.
Sie schloss die Augen und suchte einen Kontakt.
Seit ein paar Nächten waren ihre Kräfte wieder hergestellt. Sie würde eine kleine Gedankenreise unternehmen, jedoch nicht so eindringlich und ausführlich wie beim letzten Mal, als sie bei Katraana im Elfental gewesen war und anschließend fast von Murgons abscheulichen Dokks zerfleischt worden wäre.
Sie konzentrierte sich auf Katraanas Aura.
Sie suchte.
Und sie fand.
Zuerst nur ein schwacher Laut. Stahl an Stahl. Es roch nach Blut. Ein Schimmel, der etwas – jemanden – tötete. Katraana auf seinem Rücken, ohne Sattel, schnell wie der Wind, während die rote Morgensonne in ihrem Haar glänzte.
Dieses Bild wechselte sich ab mit der brennenden Präsenz eines schwarzen Drachen mit vier Köpfen. Er war noch nicht geschlüpft, doch es würde nicht mehr lange dauern.
Katraana!
Sharkan!
Gwenael musste eine Wahl treffen. Sie war unkonzentriert. Zwei Gedanken, die sich mischten. Das kostete zu viel Kraft. Wo war das Ei? War es versteckt? Stets, wenn sie meinte, es berühren zu können, schlüpfte es durch ihre mentalen Finger. Es gab seinen Standort nicht preis. Ein Hauch von… Gwenael traute es sich kaum zu denken, ein Hauch von Harmonie lag über dem Ei. Wie konnte das sein, wenn darin Sharkan der schwarze Drache wartete? Es war bizarr und Katraana sah sie an.
Und die kleine Barb sah sie an.
Und der Manndämon sah sie an.
Ein Barbkind, das am Strand spielte.
Mit etwas, dass aussah wie ein, wie ein… Ei?
Und Bluma sah sie an und lächelte. Sie verwandelte sich, wurde schmaler, heller, hübscher. Sie wurde zu einem Mädchen, welches in einem hübschen weißen Kleid im Gras spielte und Sonnenblumenblüten legte.
Der Manndämon sah sie an und lächelte strahlend.
Und Dogdan, der Golem, sah sie, dann tobte er weiter im Meer und tötete Riesenfische.
Gwenael streute ihren mentalen Kontakt, der sich fast selbstständig gemacht hatte. Auf einer übergelagerten Vernunftsebene spürte sie, dass sie die Reise mit zu vielen Fragen im Gepäck angetreten hatte. Sie musste sich für einen Kontakt entscheiden.
Doch für welchen?
Das Ei? Das hatte sie versucht, ohne Erfolg.
Nein, sie hatte geplant, Katraana zu finden und sie würde dies ausführen. Sie konzentrierte sich auf das hübsche Gesicht ihrer jungen Freundin und fand sie erneut. Sie stieg von ihrem Schimmel, der, wie Gwenael wusste, Sternläufer hieß und ein wunderbares Pferd war.
Katraana stutzte.
Sie spürte Gwenaels Kontakt. Jeder von ihnen würde diesmal bleiben, wo er war. Eine Reise mit Ortswechsel würde wieder zu einer tagelang andauernden mentalen Schwäche führen. Auch so konnte man kommunizieren.
»Du bist es, Gwenael?«, fragte Katraana und setzte sich auf einen Felsblock. Sie legte ihre Stirn in die Hände und schloss ihre Augen.
Gwenael hatte darauf gewartet und nahm Katraana irgendwo in der Mitte zwischen ihnen, in einem Niemandsland der Zeit, in den Arm. Sie befanden sich in reinem Weiß, nichts gab es hier außer ihnen beiden. Sie machten sich voneinander los. Die Begrüßung war kühl gewesen.
»Warum besuchst du mich, Gwenael?«, fragte Katraana und umrundete Gwenael, als sehe sie sie das erste Mal in ihrem Leben.
»Wohin bist du unterwegs?«
»Ich bin auf dem Weg nach Dandoria. Ich musste ein paar Barbaren erschlagen, die sich mit mir vergnügen wollten.«
»Barbaren? Was machen die im Elfental?«
»Sie waren außerhalb des Tales. Sie suchten
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