Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
sie war während des Fluges rabenschwarz geworden – glatt. Er legte sich die Kapuze über sein weißhaariges Haupt und sein Blick beschrieb einen Halbkreis.
Verwachsene Kreaturen, hoch aufgerichtete Blutsauger, fluoreszierende Dämonen mit mehreren Köpfen, jede denkbare Ausgeburt einer morbiden Phantasie hatte ihn in der Höhle erwartet.
Sie verneigten sich.
Murgon traute seinen Augen nicht.
Was erwarteten sie von ihm? Er blickte an sich herunter und sah, dass seine Finger sich noch immer um den Kasten krallten. War es das? Wollten sie nicht ihn, sondern das Artefakt? Er legte es ganz langsam vor sich ab und beobachtete die Dämonen. Deren Blicke folgten dem Kasten, einige schnappten gierig, anderen lief breiiger Saft aus dem Maul. Sie waren bereit, einen dunklen Preis für diesen Kasten zu bezahlen. Sie nahmen Murgon auf sich.
Also hatte sein Vater Recht gehabt, als er von seinen Träumen berichtete, in denen er seinen Sohn über Schlachtfelder schreiten sah, bis zu den Knöcheln im Blut versinkend. Wäre alles anders gewesen, hätte seine Familie zu ihm gestanden? Hätte es eine gute Wendung in Feiniels Leben gegeben, wäre man liebevoll mit ihm umgegangen? Wäre er ein Dichter geworden, wie er es gewünscht hatte? Oder war alles festgeschrieben und unabänderlich?
Murgon wollte jetzt nicht darüber nachdenken.
Ein Schauder fuhr über seinen Körper, als er sich bewusst wurde, dass er nun Herrscher über ein Land war, größer als Mythenland und dunkler als die menschliche Seele. Er war der Herr über das Böse. Er war – ein Gott!
Murgon hob die Hände weit über seinen Kopf. Er war erstaunt, dass er sich kaum konzentrieren musste, um eine Aura der Macht um seinen Körper zu legen. Blaue Funken strahlten von ihm ab und der Kasten hob sich. Er schwebte vor Murgons Gesicht und noch höher zwischen seinen Händen. Er griff ihn und hielt ihn wie eine Trophäe über den Kopf. Grellweißes Licht loderte um seine Gestalt und die Dämonen duckten sich, winselten, sabberten, krochen zurück in ihre Höhlen, einfachen Behausungen oder Tümpel.
»Ich bin Murgon! Ich bin der Lord von Unterwelt!«, rief der Dunkelelf mit grollender Stimme.
Die Dämonen, welche ihn hergebracht hatten, kreischten, erhoben sich und flatterten davon.
Murgon blickte ihnen nach. Sie flogen zu einer Festung, die sich in der Ferne erhob, ein gigantischer Bau. Dorthin würde Murgon gehen. Von dort aus würde er herrschen. Und warten. Warten, bis das Geheimnis des Artefaktes gelöst war.
Murgon seufzte und kehrte wieder in die Gegenwart zurück. In letzter Zeit holten ihn die Erinnerungen vermehrt ein, ganz so, als würde der längst vergessene Feiniel sich zu Wort melden, ihm einen Spiegel vor halten.
Gwenael kam ihm entgegen.
»Wo ist das Schiff?«, fragte Murgon.
»Es war bei den Verdammten.«
»War?«
»Es hat sich – aufgelöst. Es ist verschwunden und mit ihm die Flüchtenden. Auch dein Golem ist nicht mehr da. Vermutlich hat er einen Weg gefunden, dem Dämonenmann und der Barb zu folgen. Die Wachghule haben jeden Winkel der Höhle durchsucht. Sie haben nichts gefunden. Nun fürchten sie sich, dir Meldung zu erstatten.«
»Sie sollen mir aus den Augen bleiben. Du weißt, was mein Zorn anrichtet.«
Sie nickte.
»Doch du fürchtest dich nicht vor mir?«
Gwenael sah auf. »Du bist mein Bruder, wie sollte ich mich da fürchten?«
»Ich scheute mich auch nicht davor, unseren Vater zu töten.«
»Du kannst dich auf mich verlassen, Bruder. Meine ganze Liebe gehört nur dir. Ich öffnete mich und sandte meine Gedanken aus. Sie haben alles abgesucht. Der Kontakt zu dem Schiff brach ab und es war nur noch Leere und Stille.«
Murgon rieb sich das Kinn. »Warum wussten wir nichts von diesem seltsamen Schiff? Wie konnte es in Unterwelt auftauchen und gleichzeitig als Übergang dienen?«
»Das ist nicht die einzige ungelöste Frage, Murgon. Woher wussten die Flüchtenden davon? Und wer war dieser Dämonenmann wirklich? Er kam nach Unterwelt, raubte dir deine Kraft und flüchtete, als die Drachen dir deine Kraft zurück brachten. Warum?«
»Am besten, wir vergessen das alles.« Murgon machte eine zornige Handbewegung. »Wir sollten uns auf unsere Ziele konzentrieren. Der Eroberung von Mythenland und die Eroberung der Götterhorte. Wenn uns alle drei Ebenen gehören, werden wir unbesiegbar sein. Dafür bilde ich meine Dokks aus und rekrutiere die besten Dämonen, die wir haben. Wir werden durch die Gräber gehen und die Städte
Weitere Kostenlose Bücher