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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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es. Ich weiß, er hat ihre beruflichen Fertigkeiten geschätzt. Wie wir alle. Aber sie hat gelegentlich seine Meinungen in Frage gestellt, und das hat ihn erbost. Er akzeptierte das nicht einmal von Kollegen, geschweige denn von einer Schwester – einer Frau.«
    Monk runzelte die Stirn. »Könnte ihn das so erzürnt haben, daß er wild um sich schlug?«
    Kristian lachte. »Kaum. Er war Chefarzt. Sie nur eine Schwester. Bei seinen Möglichkeiten hätte er nicht gleich derart aus dem Rahmen zu fallen brauchen, um sie zu vernichten. Und dabei auch noch seine eigene Position zu gefährden.«
    »Selbst wenn er unrecht und sie recht gehabt hätte?« drängte Monk. «Es hätten doch andere erfahren können.«
    Kristians Gesicht wurde schlagartig ernst. »Tja, das würde die Angelegenheit in ein anderes Licht rücken. Das hätte ihm sicher nicht geschmeckt. Das ginge jedem Mann so.«
    »Hätten ihre medizinischen Kenntnisse für so etwas ausgereicht?« fragte Monk.
    Kristian schüttelte sachte den Kopf. »Ich weiß nicht. Denkbar wäre es, nehme ich an. Sie wußte jedenfalls eine ganze Menge, weit mehr als jede andere Schwester, mit der ich jemals zu tun hatte, obwohl auch die, die sie ersetzt hat, ganz außerordentlich ist.«
    Monk spürte eine Welle der Genugtuung in sich aufsteigen, die ihn auf der Stelle beunruhigte. »Genug?« fragte er etwas schärfer als beabsichtigt.
    »Möglicherweise«, räumte Kristian ein. »Aber haben Sie auch nur den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß es so gewesen ist? Ich dachte, man hätte ihn der Briefe wegen verhaftet?« Er schüttelte vorsichtig den Kopf. »Und eine verliebte Frau stellt doch einen Mann nicht vor aller Welt bloß! Ganz im Gegenteil. Ich habe nicht eine einzige Frau kennengelernt, die den geliebten Mann nicht bis in den Tod verteidigt hätte, selbst wenn sie es besser nicht getan hätte. Nein, Mr. Monk, eine völlig unbrauchbare Theorie. Und überhaupt, wie ich Ihren Bemerkungen eingangs entnommen habe, hat Sir Herberts Verteidiger Sie beauftragt, Beweise für einen Freispruch beizubringen! Oder habe ich Sie da mißverstanden?«
    Eine höfliche Art zu fragen, ob Monk ihn belogen hatte.
    »Nein, Dr. Beck, Sie haben völlig recht«, antwortete Monk und wußte sehr wohl, daß der Mann ihn verstand. »Ich überprüfe nur die Stichhaltigkeit der Anklage, um gegen sie angehen zu können.«
    »Wie kann ich Ihnen dabei helfen?« fragte Kristian ernst. »Ich habe mir den Fall immer und immer wieder durch den Kopf gehen lassen. Aber mir will einfach nichts einfallen, was ihm nützen oder schaden könnte. Natürlich werde ich seine exzellente persönliche Reputation und sein hohes berufliches Ansehen beeiden, wenn Sie es wünschen.«
    »Das werden wir, nehme ich an«, sagte Monk. »Wenn ich Sie hier ganz privat frage, Dr. Beck, sagen Sie mir dann ganz offen, ob Sie persönlich ihn für schuldig halten?«
    Kristian sah ihn etwas erstaunt an. »Darauf antworte ich Ihnen ebenso offen, Sir. Ich halte es für höchst unwahrscheinlich. Ich habe nie etwas gesehen oder gehört, was mir diesen Mann zu einer derart undisziplinierten und gewalttätigen Überreaktion fähig erscheinen ließe.«
    »Wie lange kennen Sie ihn schon?«
    »Ich arbeite nun seit knapp elf Jahren mit ihm.«
    »Und Sie würden das beeiden?«
    »Jederzeit.«
    Monk mußte überlegen, was die Anklagevertretung durch geschickte und tückische Fragen aus dem Mann herausholen könnte. Die Zeit, das zu entdecken, war jetzt, nicht im Zeugenstand, dann war es zu spät. Er verfolgte jeden Gedanken, der ihm nur kommen wollte, aber Kristians Antworten waren wohlüberlegt und frei von jeder Kritik. Eine halbe Stunde später stand Monk auf, dankte Kristian für seine Zeit und seine Offenheit und verabschiedete sich.
    Das Gespräch war merkwürdig unbefriedigend. Eigentlich hätte er sich freuen sollen. Kristian Beck hatte jeden Aspekt von Sir Herberts Charakter bestätigt, ganz nach Wunsch. Darüber hinaus war er gerne bereit auszusagen. Warum also war Monk so unzufrieden?
    Wenn es nicht Sir Herbert gewesen war, so waren Geoffrey Taunton und Beck selbst die offensichtlichsten Verdächtigen.
    War er der charmante, intelligente und kaum als Ausländer zu erkennende Mann, der er schien? Oder hatte er hinter der Fassade, die selbst Monk so angenehm fand, auch eine verschlossene, unendlich dunklere Seite?
    Er hatte keine Ahnung. Die ihm sonst eigene Menschenkenntnis hatte ihn im Stich gelassen.
    Monk unterhielt sich mit so vielen von

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