Im Schatten der Gerechtigkeit
sich ihm gar hingegeben.
Es war bereits nach drei, als er in die Hastings Street zurückkehrte und einmal mehr Einlaß begehrte. Er fand Julia mit Marianne im Salon, und auch Audley war offensichtlich wieder früher nach Hause gekommen.
»Mr. Monk?« sagte er mit unverhohlenem Erstaunen. »Ich hätte nicht gedacht, daß Cousin Albert sich gar so löblich über uns geäußert hat!«
»Audley!« Julia stand auf, die Wangen ganz rot. »Bitte, kommen Sie doch herein, Mr. Monk. Ich bin sicher, mein Mann hatte nicht die Absicht, Ihnen das Gefühl zu geben, hier nicht willkommen zu sein.« Ihre Augen durchforschten Monks Züge mit unverhohlener Sorge, während sie Mariannes Blick tunlichst mied. »Es ist etwas früh für Tee, aber vielleicht dürfen wir Ihnen eine Limonade anbieten? Es ist wirklich ein heißer Tag.«
»Ich danke Ihnen.« Monk nahm nicht nur an, weil er tatsächlich durstig war, er wollte sich die drei noch etwas genauer ansehen, vor allem die beiden Frauen. Wie tief mochte wohl das Vertrauen zwischen ihnen sein? Wie weit hatte man Julia tatsächlich irregeführt? Verdächtigte sie ihre Schwester eines unklugen Techtelmechtels? Diente das alles nur dazu, um sie vor Audleys moralischer Entrüstung zu schützen, falls sie in seinen Augen kein Opfer war? »Sehr freundlich von Ihnen«, fügte er hinzu, als er sich in den angebotenen Sessel setzte.
Sie klingelte und schickte das Dienstmädchen nach den Erfrischungen. Monk hatte das Gefühl, Julia Audleys wegen eine Erklärung zu schulden, und zerbrach sich den Kopf nach einer akzeptablen Lüge. Zu behaupten, er hätte etwas liegen lassen, wäre zu durchsichtig. Audley würde sofort mißtrauisch werden; Monk würde es an seiner Stelle genauso gehen. Sollte er es wagen, einen Botengang vorzutäuschen? Wäre Julia schnell genug?
Aber sie kam ihm zuvor.
»Ich fürchte, ich habe es noch nicht fertig«, sagte sie mit einem trockenen Schlucken.
»Was denn?« fragte Audley mit gerunzelter Stirn.
Sie wandte sich ihm mit einem arglosen Lächeln zu. »Mr. Monk hat sich freundlicherweise bereit erklärt, Cousin Albert ein kleines Päckchen von mir mitzubringen, aber ich war etwas saumselig, und so ist es noch nicht fertig.«
»Was schickst du Albert denn?« wollte Audley, die Stirn weiterhin in Falten gelegt, wissen. »Ich wußte gar nicht, daß dir so viel an ihm liegt. Jedenfalls hatte ich bisher nicht den Eindruck.«
»Das ist wohl auch nicht wirklich der Fall.« Sie gab sich alle Mühe, zwanglos zu wirken, aber Monk sah, daß sie die Hände rang. »Es ist eben eine Beziehung, die ich meiner Ansicht nach nicht verlieren sollte. Immerhin gehört er zur Familie.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich dachte mir, ein kleines Geschenk wäre ein guter Anfang. Außerdem besitzt er einige Unterlagen über unsere Familie, die ich mir gern einmal ansehen würde.«
»Davon hast du mir noch gar nichts gesagt«, sagte er. »Was für Unterlagen?«
»Von unseren Großeltern«, mischte Marianne sich rasch und mit etwas zu scharfer Stimme ein. »Es sind ja auch die seinen, und da er älter ist, hat er weit lebendigere Erinnerungen an sie als wir. Ich würde zu gern mehr über sie wissen. Immerhin habe ich ja noch nicht einmal meine Mutter gekannt. Julia war so lieb, darauf hinzuweisen, daß Cousin Albert da vielleicht aushelfen könnte.«
Audley holte schon Luft, um das Gespräch fortzusetzen, überlegte es sich dann jedoch anders. Für eine junge Frau, die ganz und gar auf ihn angewiesen war, gab sich Marianne ausgesprochen freimütig, sie schien nicht den geringsten Respekt vor ihm zu haben. Aber vielleicht war es auch nur ihre Hingabe für Julia, die sie dazu trieb, ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu Hilfe zu eilen und erst hinterher an sich selbst zu denken.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Audley ignorierte sie und wandte sich an Monk. »Sind Sie selbst auch aus Halifax?«
»Nein, nein, aus Northumberland«, antwortete Monk.
»Aber ich komme auf meinem Weg in den Norden durch Halifax.« Er verstrickte sich immer tiefer in seine Lüge. Er würde das Paket wohl abschicken und darauf hoffen müssen, daß Cousin Albert mit den nötigen Informationen aufwarten konnte. Und wenn nicht, dann konnte man es vermutlich immer noch auf seine Verstocktheit schieben.
»In der Tat.« Offensichtlich war für Audley die Angelegenheit damit erledigt, und der Auftritt des Mädchens, das Mrs. Penrose sagte, daß Mrs. Hylton sie zu sprechen wünsche, enthob sie der
Weitere Kostenlose Bücher