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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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schließlich und sah dabei von Julia zu Audley. »Wenn es Ihnen recht ist, Madam, dann komme ich morgen noch einmal vorbei, um Ihr Geschenk für Mr. Finnister abzuholen?«
    »Oh, ich danke Ihnen«, sagte Julia rasch, und die Erleichterung war ihr anzusehen. »Das wäre wirklich zu liebenswürdig.«
    Audley sagte nichts, und mit einigen weiteren Worten hatte Monk sich verabschiedet und ging. Raschen Schritts trat er in die Hitze der Hastings Street, wo ihn der Lärm und das Geklapper der Kutschen und das Durcheinander seiner eigenen Gedanken umfingen.
    Am nächsten Vormittag stand er zusammen mit Marianne im Gartenhaus. Ein paar Meter weiter sangen im Flieder die Vögel, während eine leichte Brise einige Blätter über den Rasen trieb. Rodwell hatte seinen freien Tag.
    »Ich denke, ich habe alle Erkundigungen eingezogen, die mir möglich sind«, begann Monk.
    »Ich kann Ihnen keinen Vorwurf daraus machen, daß es so wenig herauszufinden gibt«, antwortete Marianne mit dem Anflug eines Lächelns. Sie stand gegen das Fenster gelehnt, der helle, mit einem Zweigmuster verzierte Musselin ihres Kleides blähte sich um ihre Hüften. Sie wirkte sehr jung, merkwürdigerweise jedoch weit weniger verletzlich als Julia, obwohl Monk ihre Angst sah.
    »Ich habe durchaus einiges herausgefunden«, sagte er und beobachtete sie dabei. »Zum Beispiel, daß keiner über die Mauer in den Garten geklettert ist, weder aus der einen noch aus der anderen Richtung.«
    »Oh?« Sie war ausgesprochen ruhig, fast so, als halte sie den Atem an; dabei starrte sie an ihm vorbei auf den Rasen hinaus.
    »Und Sie sind sich sicher, daß es nicht Rodwell war?«
    Sie konnte es kaum fassen, mit großen Augen wandte sie sich ihm zu. »Rodwell? Sie meinen den Gärtner? Natürlich war er es nicht! Glauben Sie, ich würde unseren eigenen Gärtner nicht erkennen? Oh, nein, nein! Sie glauben doch nicht etwa…« Sie verstummte, tiefrot im Gesicht.
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte er rasch. »Ich mußte nur einfach sichergehen. Nein, ich glaube keineswegs, daß es Rodwell war, Miss Gillespie. Aber ich glaube, daß Sie wissen, wer es war.«
    Jetzt war sie mit einemmal kreidebleich; nur hoch auf den Wangen hielt sich die Farbe. Sie bedachte ihn mit einem hitzigen, vorwurfsvollen Blick.
    »Sie glauben, ich habe mich willentlich hingegeben! Du lieber Himmel, wie können Sie nur! Wie können Sie nur!« Sie wandte sich abrupt ab. In ihrer Stimme schwang ein solches Entsetzen mit, daß auch seine letzten Zweifel verschwanden.
    »Nein, das tue ich keineswegs«, antwortete er, wohlwissend wie oberflächlich seine Worte klangen. »Aber ich denke, Sie fürchten, die Leute könnten es glauben, und so versuchen Sie sich zu schützen.« Er vermied das Wort »lügen«.
    »Das ist nicht wahr«, sagte sie schlicht, aber sie wandte sich ihm nicht wieder zu. Sie stand noch immer mit hängenden Schultern da und starrte auf das Gebüsch an der hinteren Mauer, von wo immer wieder das Geschrei der spielenden Hylton-Kinder herüberdrang.
    »Wie ist er hereingekommen?« fragte er sie sanft. »Ein Fremder könnte schließlich nicht durch das Haus gekommen sein.«
    »Dann muß er eben durch den Kräutergarten gekommen sein«, entgegnete sie.
    »An Rodwell vorbei! Er sagt, er hat niemanden gesehen.«
    »Dann muß er eben woanders gewesen sein.« Ihre Stimme war entschieden und duldete nicht den geringsten Widerspruch.
    »Vielleicht ist er für einige Minuten ums Haus in die Küche gegangen. Vielleicht auf einen Schluck Wasser oder ein Stück Kuchen, was weiß ich, und will es nur nicht zugeben.«
    »Und dieser Bursche hat seine Chance ergriffen und kam in einen nach hinten hinaus gelegenen Garten?« Er versuchte erst gar nicht, seine Zweifel zu verbergen. »Genau.«
    »Wozu? Es gibt hier nichts zu stehlen. Und dann das Risiko! Wie sollte er wissen, daß Rodwell noch einmal weggehen würde. Er hätte hier stundenlang festsitzen können.«
    »Ich weiß auch nicht!« In ihrer Verzweiflung wurde sie laut.
    »Es sei denn, er wußte, Sie sind hier?« Schließlich fuhr sie mit funkelnden Augen herum. »Ich weiß es nicht!« rief sie. »Ich weiß nicht, was er gedacht hat! Warum geben Sie nicht einfach zu, daß Sie ihn nicht finden können und gehen wieder? Sie sind ohnehin nur wegen Julia hier – weil sie so wütend ist. Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie werden niemanden finden. Das Ganze ist einfach lächerlich. Es wird nie jemand erfahren.« Ihre Stimme schien zu versagen. »Völlig

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