Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
auch das Glas seiner Frühbeete sei völlig intakt. Es tue ihm leid, aber er könne ihm nicht helfen, und da er es furchtbar eilig habe, wäre Mr. Monk vielleicht so gut, ihn zu entschuldigen?
    In dem Haus, dessen Garten an den der Nummer sechzehn angrenzte, ging es da schon bedeutend lebhafter zu. Monk zählte wenigstens sieben Kinder, drei davon Jungs, so daß er von den zerbrochenen Abdeckungen absah und wieder zum Spanner griff.
    »Ach, du lieber Gott«, sagte Mrs. Hylton mit gerunzelter Stirn. »Was für eine Narretei! Kein Zweifel, das sind Männer, die nicht genug zu tun haben. Jedermann sollte seine Beschäftigung haben.« Sie stocherte eine Strähne ihres Haares zurück, wo sie hingehörte, und strich sich die Röcke glatt. »Da kommt man erst gar nicht auf dumme Gedanken. Miss Gillespie, sagten Sie? Was für eine Schande. Eine so artige junge Dame. Wie ihre Schwester. So was von Hingabe füreinander, eine wahre Freude, finden Sie nicht?« Ohne ihm Zeit zu lassen, auf ihre rhetorische Frage zu antworten, winkte sie Monk ans Fenster, von wo aus man einen guten Blick auf den Garten und die Mauer hatte, die ihn von dem der Penroses trennte. »Und auch Mr. Penrose ist ein so angenehmer Mensch, da bin ich mir sicher.«
    »Haben Sie einen Gärtner, Mrs. Hylton?«
    »Einen Gärtner?« Sie war offensichtlich überrascht. »Du liebes Lieschen, nein. Ich fürchte, wir überlassen unseren Garten so ziemlich sich selbst. Nur das Gras mäht mein Mann hin und wieder.« Sie lächelte glücklich. »Die Kinder, Sie wissen ja? Zuerst hatte ich schon Angst, Sie kommen, weil jemand zu wild mit dem Kricketball war. Daß irgendwo eine Scheibe zu Bruch gegangen wäre. Sie haben ja keine Vorstellung, wie erleichtert ich bin!«
    »Und das Treiben eines Spanners ängstigt Sie nicht, Madam?«
    »Ach, du lieber Gott, nein.« Sie sah ihn eingehend an. »Ich bezweifle, daß es den überhaupt gibt, wissen Sie. Miss Gillespie ist noch sehr jung. So junge Dinger haben oft eine blühende Phantasie, und Nervenkrisen.« Sie glättete einmal mehr ihre Röcke und arrangierte den aufgebauschten Stoff. »Das kommt davon, daß sie nur herumsitzen und auf den passenden jungen Mann warten, der sie ihren Freundinnen vorzieht.« Sie atmete tief ein. »Natürlich ist sie sehr hübsch, aber bis zu einer Ehe völlig abhängig von ihrem Schwager. Und nach allem, was man so hört, ist auch die Mitgift nicht eben berauschend. Wenn ich Sie wäre, würde ich mir keine allzu großen Gedanken machen, Mr. Monk. Ich würde eher sagen, es war eine Katze im Gebüsch oder dergleichen.«
    »Ich verstehe«, sagte Monk nachdenklich, nicht daß seine Gedanken sich mit Tieren oder Mariannes Phantastereien befaßt hätten; ihm gab vielmehr ihre finanzielle Abhängigkeit zu denken. »Sie haben höchstwahrscheinlich recht«, fügte er rasch hinzu. »Ich danke Ihnen, Mrs. Hylton. Ich denke, ich werde Ihren Rat beherzigen und die Angelegenheit nicht weiter verfolgen. Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag, Madam.«
    Zu Mittag aß er in einer belebten kleinen Wirtschaft an der Euston Road. Danach ging er, die Hände in den Taschen und tief in Gedanken versunken, eine Weile spazieren. Je mehr er sich durch den Kopf gehen ließ, was er bisher zusammengetragen hatte, desto mehr mißfielen ihm die Schlußfolgerungen, die sich daraus ergaben. Er hatte es von vornherein für nicht sehr wahrscheinlich gehalten, daß jemand über die Mauer gekommen war; und jetzt hielt er es für so unwahrscheinlich, daß er es ausschloß. Wer immer Marianne überfallen hatte, war durch ihr eigenes Haus gekommen und war somit ihr oder ihrer Schwester, mit einiger Sicherheit sogar beiden, bekannt.
    Wieso hatten die beiden, wenn sie schon keinen Wert auf eine gerichtliche Verfolgung der Angelegenheit legten, Monk hinzugezogen? Warum hatten sie die Angelegenheit überhaupt jemandem anvertraut?
    Die Antwort darauf war offensichtlich. Julia wußte von nichts. Marianne sah sich also gezwungen, die blauen Flecken zu erklären, ganz zu schweigen von ihrem unseligen Zustand: Wahrscheinlich war ihr Kleid zerrissen oder voll Gras-, wenn nicht gar Blutflecken. Und sie hatte ihre Gründe dafür, Julia nicht zu sagen, wer es war. Vielleicht hatte sie den Betreffenden zunächst ermutigt und es dann mit der Angst bekommen. Und da sie sich schämte, hatte sie einen Fremden vorgeschoben, die einzige Lösung, die ihr moralisch vertretbar schien.
    Niemand würde glauben, sie hätte einen ihr völlig Fremden ermutigt oder

Weitere Kostenlose Bücher