Im Schatten der Königin: Roman
sie zu sagen. Als ich erwachsen war, sorgte sie dafür, dass ihr Gemahl mir eine Stelle in seinem Haushalt gab. Zu diesem Zeitpunkt wusste jeder in ganz England, wer John Dudley war, und mein eigener Vater in Kidderminster sonnte sich im Glanz der Verwandtschaft. Ich nahm ihm das damals fast ein wenig übel, hatte er doch nichts getan, um seinerseits zum Aufstieg unserer Familie beizutragen. Für mich, das nahm ich mir fest vor, sollte das anders sein. Ich würde mir meinen Platz an der Sonne verdienen. Wenn John mich förderte, dann sollte es nicht nur geschehen, um seiner Gemahlin einen Gefallen zu tun, sondern weil ich ihm durch harte Arbeit unentbehrlich geworden war.
Das ging so lange gut, bis John vor sechs Jahren versuchte, die Thronfolge zu bestimmen. Er verlor seinen Kopf, und seine Familie stürzte mit ihm.
Es war das Jahr 1554. Johns Söhne warteten im Tower darauf, das gleiche Schicksal zu erleiden wie ihr Vater. Ich hatte Glück, selbst nicht als Verräter im Kerker zu sitzen, aber meinen Besitz war ich dennoch los, und meiner Base Jane erging es noch übler: Sie verlor mit dem Tod ihres Gemahls sämtliche Güter und verbrachte ihre Zeit damit, mittellos nach Fürsprechern bei Hofe zu suchen, um wenigstens das Leben ihrer Söhne zu retten.
Ich hätte damals nach Worcestershire zurückkehren können, zu meiner Gemahlin Margery und dem Kind, das sie erwartete, denn Margerys Mitgift hatte die Krone nicht eingezogen. Aber Jane brauchte mich. Wann, wenn nicht in dieser dunklen Stunde, war die Zeit gekommen, um ihr dafür zu danken, dass sie mir geholfen hatte, ein Mann zu werden, den andere achteten, und der sich selbst achten konnte? So viele der Schranzen, die sich in den letzten Jahren um John Dudley geschart hatten, waren verschwunden, und Jane musste jeden Morgen mit der Furcht erwachen, dass der beginnende Tag der letzte für ihre verbliebenen Söhne sein könnte; Guildford, der Jüngste, hatte schon für den Ehrgeiz seines Vaters mit seinem Kopf bezahlt.
Also blieb ich an der Seite meiner Base und versuchte, ihre unerschütterliche Hoffnung zu teilen, während sie von einem Höfling nach dem andern abgewiesen wurde, Tag auf Tag, immer wieder. Es lag nicht nur an den Feinden, die sich John Dudley durch seinen raschen Aufstieg gemacht hatte. Sich bei der neuen Königin für die Witwe und die Söhne des Mannes einzusetzen, der sein Bestes getan hatte, um zu verhindern, dass sie auf den Thron kam, bedeutete, viel für nichts zu riskieren, denn dass ein Dudley unter Mary Tudor je wieder zu Ansehen und Ehren kam, war wirklich nicht zu erwarten.
Jane pflegte damals vor jedem vergeblichen Bittgang die Namen ihrer lebenden Söhne zu murmeln wie ein Gebet – Ambrose, John, Robin und Henry. Als sie erfuhr, dass John im Tower an einem Fieber dahinsiechte, das ihn noch vor dem Henker vom Leben in den Tod befördern würde, brach sie zusammen und weinte in meinen Armen. Da ich meine Base während meines ganzen Lebens nie anders als stark erlebt hatte, fühlte ich mich einen Moment lang, als hätte sich die Welt von unten nach oben gekehrt und der Boden unter meinen Füßen aufgetan, um uns alle zu verschlingen.
»My lady«, sagte ich schließlich zu ihr, absichtlich so formell wie möglich, um ihr Selbstbewusstsein wieder zu stärken, denn ihr Titel als Herzogin von Northumberland war eines der wenigen Dinge, die Jane nicht genommen worden waren, »wenn kein Engländer Euch helfen will, dann sollten wir es mit einem der gottverfluchten Spanier versuchen.«
Jane sah mich ausdruckslos an.
»Die Spanier, my lady, sind schließlich nicht nur hier, um uns mit ihrer Arroganz den letzten Nerv zu rauben, sondern als Teil der Gefolgschaft des Prinzgemahls gewissermaßen Gäste in unserem Land«, erinnerte ich sie.
Sie verstand, und das rief ihre Lebensgeister zurück. »Darum brauchen sie um keine eigenen Güter zu fürchten, wenn sie für uns sprechen«, vollendete Jane meinen Satz.
»Außerdem weiß doch jeder, dass die Königin Wachs in Philipps Händen ist. Vielleicht gilt das auch für die Edelleute aus seinem Gefolge.«
Jane legte mir ihre Finger auf die Lippen und sagte mir, ich sollte nicht so respektlos von der Königin sprechen, aber sie hörte auf mich. Nach einer Woche, in der sie jeden spanischen Edelmann und jede spanische Hofdame aufsuchte, die sich in unserem Land herumtrieben, weil ihr Prinz unsere Königin geheiratet hatte, zeigte sich das Schicksal endlich wieder etwas gnädiger. Das
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