Im Schatten der Königin: Roman
unterdrückt und mir eingestanden, dass ich John bereitwillig genug gefolgt war, solange er Erfolg hatte. Ja, er hatte sein Versprechen, uns alle auf den Gipfel der Macht zu führen, nicht erfüllt – so wie ich nicht in der Lage gewesen war, mein Versprechen Jane gegenüber zu halten und ihre Söhne zu beschützen, alle ihre Söhne. Gegen wen sollte ich also den größeren Groll hegen?
»Mein Vater«, sagte Robin, und die Bitterkeit, die in mir brannte, fand sich auch in seiner Stimme, »hat die schlimmste Art von Verrat begangen – Verrat ohne Erfolg. Sonst würde man ihn nämlich als Retter des Landes preisen. Aber die Dudleys werden wieder aufsteigen, sie werden sicherer und mächtiger werden, als sie es zu Lebzeiten meines Herrn Vaters je waren, das schwöre ich dir bei allem, was mir heilig ist.«
Mir lag auf der Zunge, ihn darauf hinzuweisen, dass all das Ansehen und die Macht seinen Vater nicht gerettet, sondern nur auf den Pfad geführt hatte, der seinen Tod, den Tod von Guildford, Henry und John dem Jüngeren und die ganze jetzige Misere erst ermöglichte, aber ich konnte es nicht aussprechen. Und ich wollte es auch nicht. Der Mensch braucht Hoffnung, ich so gut wie er. Ich dachte an meine eigene Familie daheim und fragte mich, ob sie mich wohl dereinst verfluchen würde, weil ich unsere Geschicke so fest an die Familie eines geköpften Verräters geknüpft hatte. Dann erinnerte ich mich daran, dass wir sehr gut alle tot hätten sein können, ich so gut wie Robin, hingerichtet genau wie Janes Gatte und ihr jüngster Sohn oder in Stücke gerissen wie der arme Henry. Aber wir waren nicht tot, sondern am Leben. Dafür musste man Gott dankbar sein und etwas daraus machen.
»Du hast uns immer treu zur Seite gestanden«, sagte Robin, als stünden mir meine Gedanken auf der Stirn geschrieben, »doch wenn es dich zurück nach Worcestershire zieht, würde ich das verstehen. Jetzt, wo du für ihren Gatten gefochten hast, wird die Königin dir gewiss etwas Land zurückgeben, und du und die deinen könnten dort in Frieden leben.«
Es wäre an seinem Bruder Ambrose gewesen, als dem Ältesten und daher neuen Oberhaupt der Familie, mich entweder zu bitten zu bleiben oder mir mitzuteilen, ich könne gehen. Robin war nie mehr als der mittlere Sohn gewesen, weder der zukünftige Erbe seines Vaters noch das verwöhnte Nesthäkchen. Als John Dudley einen seiner Söhne mit dem Mädchen verheiratete, das er zur Königin von England machen wollte, da war es Guildford gewesen, nicht Robin. Was Jane betraf, so bestand sie darauf, keine Lieblinge zu haben und alle ihre Kinder gleich zu lieben, aber insgeheim war ich davon überzeugt, dass Henry ihr Favorit war.
Ein mittlerer Sohn in einer großen Familie muss immer ein wenig aufgeweckter, schneller, besser als die anderen sein, um überhaupt aufzufallen. Es hätte mich also nicht wundern sollen, dass Robin derjenige der Dudleys sein würde, der sich in der Stunde der Niederlage und des tiefsten Verlustes aufraffte und begann, Pläne für die Zukunft zu machen. Die Frage war nun, ob ich ihm dabei folgen wollte.
Er hatte recht. Nach meinem Kriegsdienst hier hatte ich gute Chancen, mein Land wieder zu bekommen und nicht mehr von Margerys Mitgift leben zu müssen. Ich konnte nach Hause gehen und den Rest meiner Tage in Kidderminster verbringen, mit ihr und unserem Kind, und ganz gleich, ob es Robin nun gelingen würde, die Dudleys wieder zu Glanz und Macht zu bringen, oder ob er sich nur ein Todesurteil einhandelte, es würde weder mein Verdienst noch meine Schuld sein. In diesem Moment, an dem knarrenden Holztisch in einem wenig ehrenhaften Gasthof in Frankreich, bot sich mir die einmalige Chance, die Geschicke der Blounts endgültig von denen der Dudleys zu trennen.
Janes Stimme klang mir im Ohr, wie sie die Namen ihrer Söhne rezitierte und mich ihren Ältesten nannte. Kidderminster fiel mir ein, und wie in den zehn Jahren vor Johns Tod jede Heimkehr einem Triumphzug geglichen hatte, während dieser Tage jeder sehr vorsichtig war, wenn er mit uns sprach. Hoffnung, dachte ich, jeder von uns braucht Hoffnung und das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich schaute auf Janes Sohn, dem ich nach dem Tod seines Bruders nicht mehr als Branntwein und ein Schankmädchen gegeben hatte.
Mit dem Geschmack von Niederlage und französischem Branntwein im Mund sagte ich, und gebrauchte zum ersten Mal ihm gegenüber die respektvolle Anrede, die einem höhergestellten Mann gebührt, obwohl er
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