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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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mich.
    »Das versteh ich nicht«, sagte er. »Woher wollen Sie wissen, daß es 1957 passiert ist? Dieser Teil des Landes wird doch andauernd von Hurrikans verwüstet, oder?«
    »Gute Frage, Partner«, sagte ich, und mit dem Weidenast entfernte ich das Netz getrockneter Algen zuerst von einem Schienbeinknochen, dann dem anderen.
    »Das linke ist in zwei Stücke gebrochen«, sagte Sykes.
    »Ja. Da hat ihn die Kugel getroffen, als er vor zwei weißen Männern fliehen wollte.«
    »Sind Sie ’n Hellseher oder so was?« sagte Sykes.
    »Nein, ich hab’s mit eigenen Augen gesehen. Ungefähr eine Meile von hier.«
    »Sie haben’s gesehen?« sagte Sykes.
    »Ja.«
    »Was ist jetzt los?« sagte der Deputy hinter uns. »Wollen Sie damit sagen, daß irgendwelche Weißen jemand gelyncht hätten?«
    »Yeah, genau das sage ich. Wenn wir zurückkommen, müssen wir mit Ihrem Sheriff reden und dafür sorgen, daß ein Gerichtsmediziner hier rausgeschickt wird.«
    »Ich weiß ja nicht, wie Sie das da drüben in Iberia Parish so handhaben, aber hier wird sich niemand großartig für irgendeinen Niggerscheiß interessieren, der vor fünfunddreißig Jahren gelaufen ist«, sagte der Deputy.
    Ich stocherte mit dem Ast um die Knochen herum und zog ein dichtes Geflecht von Algen ab, unter dem die Beine, die Beckenknochen und die Schädeldecke, auf der oben immer noch ein Flecken zerzausten schwarzen Haars klebte, zum Vorschein kamen. Ich kratzte an den verwitterten, schwarz gewordenen Arbeitsstiefeln und den bunten Fetzen, die vom Becken baumelten.
    Ich legte den Ast weg und nagte an meinem Daumennagel.
    »Wonach suchen Sie, Mr. Robicheaux?« sagte Sykes.
    »Es geht nicht drum, was da ist, sondern was fehlt«, sagte ich. »Er hat keinen Gürtel in der Hose, und die Stiefel haben keine Schnürsenkel.«
    »Der Hurensohn hat sich vermutlich bei der Heilsarmee eingekleidet. Na und«, sagte der Deputy, zerklatschte einen Moskito auf seinem Hals und betrachtete den rotschwarzen Matsch in seiner Handfläche.
    Später an diesem Nachmittag machte ich mich wieder an den Fall des ermordeten Mädchens, dessen voller Name Cherry LeBlanc war. Niemand wußte, wo ihr Vater steckte, der aus Mamou verschwunden war, nachdem man ihn beschuldigt hatte, sich an einem schwarzen Kind in der Nachbarschaft vergangen zu haben, aber ich sprach noch einmal mit ihren Großeltern, dem Besitzer der Bar in St. Martinville, wo sie zuletzt gearbeitet hatte, dem Mädchen, in deren Gesellschaft sie am Abend ihres Todes in dem Bretterverhau von Kneipe gewesen war, mit einem Captain der Polizei von Lafayette, der sie zur Bewährung empfohlen hatte nach ihrer Verhaftung wegen Prostitution. Ich erfuhr wenig über sie, außer daß sie allem Anschein nach ein fatal attraktives Mädchen ohne Schul- und Berufsausbildung und ohne Glück gewesen war, das gedacht hatte, sie könne in einem Spiel ihr Glück machen, wo die Würfel für Menschen wie sie immer präpariert waren.
    Soviel erfuhr ich über sie, und die Tatsache, daß sie Zydeco-Musik geliebt hatte und in die Kneipe gekommen war, um Sam »Hogman« Patin seine Mundharmonika und seine zwölfsaitige Gitarre mit dem Bottleneck spielen zu hören.
    Mein Schreibtisch war übersät mit dahingekritzelten Notizen aus meinem Block, Fotos aus der Leichenhalle und vom Tatort, Vernehmungskassetten und Fotokopien aus den Unterlagen des Sozialamts über die LeBlanc-Familie, als der Sheriff mein Büro betrat. Der Himmel draußen war jetzt lavendelfarben und rosa, und die Wedel der Palmen draußen am Bürgersteig hingen schlaff in der Hitze und warfen dunkle Silhouetten vor der tiefstehenden Sonne.
    »Ich erhielt gerade einen Anruf des Sheriffs drüben im St. Mary Parish«, sagte er.
    »Ja und?«
    »Er hat sich bedankt. Sie wissen die zusätzliche Arbeit wirklich zu schätzen.« Er setzte sich auf die Schreibtischkante.
    »Sagen Sie ihm, er soll sich einen anderen Job suchen.«
    »Er läßt ausrichten, Sie können gern rüberkommen und die Untersuchung führen, wenn Sie mal frei haben.«
    »Was macht er in der Angelegenheit?«
    »Die Knochen sind jetzt beim Leichenbeschauer. Aber ich will Ihnen nichts vormachen, Dave, ich glaube nicht, daß das irgendwohin führt.«
    Ich lehnte mich in meinem Drehstuhl zurück und trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch. Meine Augen brannten, und der Rücken tat mir weh.
    »Mir scheint, als hätte sich Ihre Aussage von damals im nachhinein bewahrheitet«, sagte der Sheriff. »Lassen wir’s doch erst mal

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