Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
dabei bewenden.«
»Das wird sich zeigen.«
»Schauen Sie, ich weiß, daß Sie eine Menge Arbeit auf dem Tisch haben, aber ich habe da ein Problem, mit dem Sie sich mal befassen müßten, wenn Sie die Zeit dazu haben. Vielleicht gleich morgen früh als allererstes.«
Ich blickte ihn an, ohne ein Wort zu sagen.
»Baby Feet Balboni«, sagte er.
»Was ist mit ihm?«
»Er ist in New Iberia. Im Holiday Inn, begleitet von rund sechs seiner Schmalzlockenkumpane und ihren Huren. Der Hoteldirektor hat mich aus einer Telefonzelle auf der Straße angerufen, weil er solche Angst hatte, daß ihn einer von ihnen hören würde.«
»Ich weiß nicht, was ich da tun kann«, sagte ich.
»Wir müssen erfahren, was er in der Stadt macht.«
»Er ist hier aufgewachsen.«
»Hören Sie, Dave, selbst in New Orleans werden sie mit diesem Burschen nicht fertig. Er hat die Hälfte der Giacano- und Cardo-Familien zu Hackfleisch verarbeitet, um dahin zu kommen, wo er heute ist. Der kommt hier nicht wieder her. Das lasse ich nicht zu.«
Ich rieb mir das Gesicht. Meine Barthaare drückten stoppelig und hart gegen meine Handfläche.
»Soll ich einen anderen schicken?« fragte der Sheriff.
»Nein, geht schon in Ordnung.«
»Sie waren eine Zeitlang in der Highschool befreundet, oder?«
»Wir haben nur zusammen in einer Mannschaft gespielt.«
Ich ließ meinen Blick aus dem Fenster auf die länger werdenden Schatten schweifen. Er musterte mein Gesicht.
»Was ist los, Dave?«
»Nichts.«
»Macht es Ihnen was aus, daß wir einen Baseballkameraden von Ihnen aus der Stadt werfen wollen?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Haben Sie je die Story gehört, was er mit dem Cousin von Didi Giacano gemacht hat? Man sagt, er hätte ihn am eigenen Darm an einem Fleischerhaken aufgehängt.«
»Die haargenau gleiche Geschichte habe ich über ein halbes Dutzend verschiedener Mafiosi in den Bezirken von Orleans und Jefferson gehört. Die wird im NOPD von Generation zu Generation weitergereicht.«
»Also nicht mehr als schlechte Presse, ja?«
»In meinen Augen ist Julie schon immer ein großer Schauspieler gewesen, das sag ich mir jedenfalls«, sagte ich.
»Klar doch, und Gorillascheiße schmeckt wie Schokoladeneis. Dave, Sie sind manchmal wirklich zum Schießen.«
3
Julie Balboni sah genauso aus wie sein Vater, der in den vierziger Jahren in Iberia Parish den Großteil der Spielautomaten besessen hatte und gemeinsam mit einer syrischen Familie das Glücksspiel und die Prostitution in dem Teil von Lafayette kontrolliert hatte, den man Underpass nannte. Schon in der elften Klasse war Julie riesig gewesen, an die zwei Meter, mit breiten Hüften und oben wie unten schmal zulaufend, wie eine dicke Banane, mit winzigen Knöcheln und Schuhgröße 7 und einem Schädel, der so groß wie der eines Wasserbüffels war. Ein Jahr später füllte er diese Statur richtig aus. Das war auch das Jahr, in dem er wegen Einbruchs in einen Schnapsladen verhaftet wurde. Sein Vater marschierte mit vorgehaltener Waffe mit ihm in den Wald und prügelte ihm mit der Tülle eines Gartenschlauchs die Haut vom Rücken.
Das Haar wucherte auf seinem Kopf wie schwarze Schlangen, und weil ein Arzt bei seiner Geburt einen Nerv in seinem Gesicht verletzt hatte, sackte manchmal ein Mundwinkel unkontrolliert nach unten, was seinem Gesicht einen obszönen oder lüsternen Ausdruck verlieh, der die meisten Mädchen abstieß. Er furzte im Unterricht, rülpste während des Verfassungseids, kämmte seine Schuppen aufs Pult. Wenn er jemanden nicht leiden konnte, faßte er sich an den Sack und forderte den anderen zum Reinbeißen auf. Auf dem Flur und in den Umkleidekabinen machten wir einen großen Bogen um ihn. Seine Lehrer waren insgeheim erleichtert, wenn seine Mutter und sein Vater beim Elternabend nicht auftauchten.
Sein anderer Spitzname war Julie the Bone, obwohl ihm das niemand ins Gesicht sagte, weil er Stammkunde in Mabel Whites Negerbordell in Crowley und in den schwarzen Absteigen auf der Hopkins Avenue in New Iberia war.
Aber zwei unbestrittene Talente hatte Julie. Als Kickboxer und als Fänger im Baseball war er gleichermaßen gut. Seine Knöchel waren zu empfindlich, um Football zu spielen; für einen Läufer war er zu dick; aber mit einer schnellen Bewegung seines mächtigen Oberschenkels konnte er einen Gegner beim Kickboxen Blut spucken lassen, und hinter dem Schlagmal konnte er dem Schläger den Ball direkt von der Keule stibitzen oder einen flachen Aufsetzer wie ein
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