Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
besser sein läßt, bevor sie mit den großen Wagen hier einfallen und irgendein unschuldiger Schwarzer sein Ende an ’nem Baum findet. Ich glaube, das waren die Knochen, die du in dieser Sandbank ausgegraben hast.«
»Wie hieß er?«
»Wen schert’s, wie er geheißen hat? Vielleicht hat er nur bekommen, was er verdient hat. Aber die Kerle, die’s getan haben, die sind immer noch da draußen. Ich sag immer, Vergangenheit ist Vergangenheit. Laß die Finger davon, sag ich.«
»Soll das eine Warnung für mich sein?«
»Als ich im Bau war, hat dein Daddy, Mr. Aldous, meiner Mutter immer zu essen gebracht. Er hat sich um sie gekümmert, als sie krank war, er hat im Laden ihre Medizin bezahlt. Das hab ich nich vergessen.«
»Sam, wenn du etwas über einen Mord weißt, verlangt das Gesetz, daß du damit zur Polizei gehst.«
»Wessen Gesetz? Das Gesetz, das das Gefängnis da oben führt? Wenn du Leichen finden willst, dann grab doch mal in dem Deich dort nach ein paar der Jungs, die die Wärter aus purer Gemeinheit abgeknallt haben. Hab’s selbst gesehen.« Er berührte mit einem langen Finger einen Augenwinkel. »Der Wärter hat sich mit Maisschnaps betrunken, dann einen armen Jungen an der Schubkarre rausgepickt und ihm zugerufen: ›Hey! Du da! Nigger! Lauf !‹ Dann hat er ihm mit der .45er eins verpaßt, wie beim Tontaubenschießen.«
»Wie hieß die weiße Frau?«
»Muß mich jetzt mal an mein Abendessen machen.«
»War der Tote vorher noch im Gefängnis?«
»Das hat damals keinen geschert, das schert jetzt keinen. Gib noch’n paar Jahre dran, dann sind wir alle tot. Was du auch tust, für ’nen Nigger, der dreißig Jahre im Fluß lag, wird das nix ändern. Wenn du was Gutes tun willst, greif dir den Luden, der das junge Mädchen zerlegt hat. Denn so gewiß, wie Gott grüne Äpfel geschaffen hat, der wird das wieder tun.«
Ein Sonnenstrahl warf durch die Äste einen Lichtkegel, und er kniff ein Auge zusammen. Der Lichtstrahl ließ seine eine Gesichtshälfte wie eine Theatermaske aus Ebenholz wirken, die man aus Teilen zusammengefügt hatte, die nicht zusammengehörten.
Als ich abends heimkam, dämmerte es schon fast, aber der Himmel im Westen war immer noch so blau wie das Ei eines Rotkehlchens, und das Licht der untergehenden Sonne drang durch die Wolken wie Lachen rosafarbenen Feuers. Nach dem Abendessen ging ich runter zum Laden, um Batist beim Zumachen zu helfen. Ich zog gerade die Leinenmarkise an den Spanndrähten über die runden Plastiktische, als ich den Wagen des Sheriffs die unbefestigte Straße herunterfahren und unter den Bäumen parken sah.
Er kam runter zum Pier in meine Richtung. Sein Gesicht war gerötet von der Hitze und teigig vor Erschöpfung.
»Mann, das war vielleicht ein Tag, sag ich Ihnen«, sagte er, verschwand im Laden und kam mit einer beschlagenen Flasche Orangenlimonade in der Hand wieder. Er setzte sich an einen Tisch und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom Hals. Kleine Eisklümpchen glitten am Hals der Limonadenflasche hinunter.
»Was ist los, Sheriff?« sagte ich.
»Haben Sie Rosie heute nachmittag gesehen?« Er nahm einen Schluck aus der Flasche.
Ich setzte mich ihm gegenüber. Die Bugwellen eines vorbeifahrenden Bootes klatschten gegen die Pfeiler unter dem Pier.
»Wir sind rausgefahren, wo sie den Film drehen, dann ist sie nach Lafayette, um ein paar Dinge nachzuprüfen«, sagte ich.
»Yeah, und genau deshalb bin ich hier.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich habe heute nachmittag ungefähr ein halbes Dutzend Anrufe bekommen. Ich bin mir nicht sicher, was Sie da so treiben, Dave.«
»Ich führe die Ermittlungen in einem Mordfall.«
»Ach ja? Was hat der Regisseur eines Kinofilms mit dem Tod von Cherry LeBlanc zu tun?«
»Hat Goldman Krach geschlagen?«
»Er nicht. Aber ein paar anderen hier scheinen Sie auf den Schlips getreten zu sein. Wollen wir mal sehen, da waren Anrufe von zwei Mitgliedern der Handelskammer; Goldmans Anwalt, dem zufolge Sie den Filmleuten, die hier zu Besuch sind, ein unangemessenes Interesse widmen; und der Bürgermeister, der gerne wissen würde, was zum Teufel meine Leute eigentlich glauben, was sie da tun. Als wenn das noch nicht genug wäre, bekam ich auch noch einen Anruf von einem Teamster-Funktionär in Lafayette und einen von einem Kerl namens Twinky Hebert Lemoyne, der dort ein Limonadenwerk hat. Betreiben Sie zwei so eine Art negatives Publicity-Programm? Was hatte sie drüben im Lafayette Parish zu
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