Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
denn kommt, daß diese Burschen sich auf einmal für den Bürgerkrieg interessieren.«
»Wissen Sie, was man in der Psychologie einen ›Transfer‹ nennt?«
»Worauf wollen Sie raus?«
»Vorhin haben Sie mir unterstellt, mein wahres Interesse gelte in Wirklichkeit Julie Balboni. Meinen Sie nicht, daß vielleicht Sie es sind, der die Untersuchung in eine andere Richtung drängt?«
»Könnte sein. Aber man kann nie sagen, was aus einem Baum hochflattern wird, bevor man nicht einen Stein reingeworfen hat.«
Das war einfach so dahingesagt. Aber damals erschien es mir unschuldig und kaum folgenschwerer als die warme Brise, die über das Zuckerrohr wehte, und die pflaumenfarbigen Gewitterwolken, die sich draußen über dem Golf zusammenbrauten. Sam »Hogman« Patin lebte südlich der Stadt in einem ungestrichenen Holzhaus am Bayou, das mit Bananenstauden überwuchert war. Blätter verstopften die Abflußrinnen, und die Gazeflächen waren rostig-orange. Das Dach war mit R. C. Cola-Schildern geflickt, der Hof ein wirres Durcheinander von Unkraut, diversen Einzelteilen von Autos und Waschmaschinen, purpurnen Schlingpflanzen und Schweineknochen; die Veranda und eine Ecke des Hauses sackten auf einer Seite nach unten wie ein schiefes Lächeln.
Ich hatte einen späteren Zeitpunkt abgewartet, damit ich bei ihm zu Hause mit ihm reden konnte. Ich wußte, daß er auf dem Filmset vor anderen Leuten nicht mit mir geredet hätte, und in der Tat war ich nicht einmal sicher, daß er mir jetzt etwas Nennenswertes erzählen würde. Er hatte siebzehn Jahre in Angola abgesessen, die ersten vier davon in der Red-Hat-Arbeitskolonne. Dorthin steckte man die Mörder, die Psychopathen und die Unkontrollierbaren. Sie trugen schwarzweiß gestreifte Anstaltskleidung und Strohhüte, die man in rote Farbe getaucht hatte, mußten unter der Aufsicht berittener Wächter immer Doppelschichten fahren, und zu ihrer Züchtigung bediente man sich Ameisenhügel, gußeiserner Schwitzkästen, die in der Sonne heiß wie Glutöfen wurden, oder der Black Betty, einer Lederpeitsche, die den Rücken eines Mannes zu Brei schlagen konnte.
Hogman wäre vermutlich immer noch dort, hätte er nicht den Weg zum Glauben gefunden: Ein Baptistenprediger aus Baton Rouge erreichte, daß er auf Bewährung entlassen wurde. Der Hof hinter seinem Haus war blanke Erde, tief überschattet von den großen Eichen, und erstreckte sich in sanfter Neigung bis hinunter zum Bayou, wo ein verrotteter, von grünen Algen überzogener Einbaum halb versunken im flachen Wasser lag. Er saß auf einem Holzstuhl mit gerader Lehne unter einem Baum, von dem zahllose blaue Milk-of-Magnesia-Flaschen und aus Stöckchen und Alufolie gebastelte Kruzifixe baumelten. Als von Süden her ein leichter Wind aufkam, erwachte der ganze Baum mit silbernen und blauen Lichtern zum Leben.
Hogman stimmte eine Saite nach, die er gerade neu auf die Gitarre gespannt hatte. Seine Haut war so schwarz, daß sie purpurn schimmerte; und sein Haar war schneeweiß, mit struppigen Locken, die flach gegen den Schädel gedrückt waren. Seine Schultern waren so breit wie der Stiel einer Axt lang, und die Muskeln in seinen Oberarmen hatten die Dimensionen einer Grapefruit. An seinem Körper war nicht ein Teelöffel Fett. Ich fragte mich, wie es wohl gewesen war, sich Hogman Patin in den Tagen in den Weg zu stellen, als er ein stehendes Rasiermesser an einer Lederschlaufe um den Hals trug.
»Was wolltest du mir sagen, Sam?« fragte ich.
»Da sind so ein oder zwei Dinge, die tun mir zu schaffen machen. Schnapp dir ’nen Stuhl von der Veranda. Willst du was Tee?«
»Nein, vielen Dank.«
Ich hob einen Korbstuhl von der hinteren Veranda und ging damit zurück zu der Eiche. Er hatte drei metallene Fingerpicks auf die rechte Hand gesteckt und spielte ein Bluesschema in immer höheren Lagen. Er drückte die Saiten so fest gegen die Fretboards, daß der Ton noch lange durch das dunkle Holz vibrierte, nachdem er die Saiten mit den Stahlpicks gezupft hatte. Dann stimmte er noch einmal nach und legte den großen, geschwungenen Korpus der zwölfsaitigen Gitarre auf dem Oberschenkel ab.
»Ich tu mich nich gerne in Sachen einmischen, die die Weißen angehen«, sagte er. »Aber was da jemand mit diesem Mädchen angestellt hat, das tut mir doch zu schaffen machen. Das macht mir ganz schön zu schaffen.«
Er hob vom Erdboden ein Marmeladenglas mit Eistee und trank daraus.
»Sie hat ihre Nase in irgendso ’ne üble Sache gesteckt,
Weitere Kostenlose Bücher