Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
wollte nich auf mich hören oder wenigstens mal die Ohren aufmachen. Wenn die sich in dem Alter was in den Kopf setzen, da gibt’s nix.«
»Die Nase wo reingesteckt?«
»So an die zwei Stunden bevor sie die Kneipe verlassen hat, da hab ich noch mit ihr geredet. Hab das Mädchen schon lange gekannt. Zydeco und Blues, das hat sie geliebt. Sie sagt mir: ›Hogman, im nächsten Leben, da werden du und ich heiraten.‹ Das sagt sie. Ich hab ihr gesagt: ›Darlin‹, mach du mal nich das Huhn für diese Männer.‹
Da sagt sie: ›Ich bin kein Huhn, Hogman. Ich geh nach New Orleans. Da werd ich meinen eigenen Stall haben. Die andern, das werden die Hühner sein. Ich, ich werd ’n Haus am Lake Pontchartrain haben.‹«
»Moment, Sam. Sie hat dir gesagt, daß dort andere Mädchen für sie arbeiten würden?«
»Das hab ich doch grad erzählt, oder?«
»Ja, allerdings.«
»Ich sag also: ›Jetzt red nich so. Halt dich bloß von diesen Luden fern, Cherry. Dieser weiße Abschaum wird dir kein Haus in der Stadt geben. Die werden dich aufbrauchen und wegwerfen, und dann suchen sie sich ein anderes Mädchen, das genau ist wie du, ruckzuck, fünf Minuten, so schnell geht das.‹
Da sagt sie: ›Nein, das werden sie nicht, weil ich nämlich den Boß in der Tasche hab, Hogman. Und das weiß er auch.‹
Weißt du, wie sie das sagen tut, da tut sie mich anlächeln, und ihr Gesicht hat so die Form von ’nem Herz, so wie ein kleines Mädchen, das irgendwas Unschuldiges tut, nich eins, das gleich umgebracht wird.«
»Welchen Mann hat sie gemeint?«
»Wahrscheinlich irgend ’n Zuhälter, der ihr weisgemacht hat, sie ist was Besonderes, sie ist so hübsch, sie ist wie ’ne Tochter für ihn. In Angola hab ich dasselbe erlebt. Ist kein Unterschied. Ein Rudel greift sich so’n Bürschchen, und wenn sie mit ihm fertig sind, dann ist er bereit. Der ist froh, wenn er sich ’n Kleid anziehen und schminken kann und für irgendeinen Wolf den Sklaven machen kann, der sich um ihn kümmern tut und ihm sagt, er ist nich nur das Futter für die andern in der Gemeinschaftsdusche.«
»Warum wolltest du mir das erzählen?«
»Weil so was hier vorher noch nie passiert ist. Mir gefällt das nicht. Ganz und gar nicht, Sir.«
»Ich verstehe.«
Er spreizte die langen Finger auf dem Korpus der Gitarre. Die Nägel zeichneten sich rosa von der, schwarzen Haut ab. Sein Blick schweifte gedankenverloren hinaus auf den Bayou, wo Leuchtkäfer funkenstiebend durch die Finsternis über den unter Wasser stehenden Rohrkolben schwirrten.
Schließlich sagte er: »Da ist noch was, was ich dir sagen muß.«
»Schieß los, Sam.«
»Du hast doch mit diesem Skelett da zu tun, das sie drüben im Atchafalaya gefunden haben, stimmt’s?«
»Woher weißt du das?«
»Wenn jemand einen toten schwarzen Mann findet, dann hören die schwarzen Leute davon. Der Mann hatte keinen Gürtel und keine Senkel in den Stiefeln, stimmt’s?«
»Das stand aber nicht in der Zeitung, Partner.«
»Der Prediger, den sie wegen der Beerdigung gerufen haben, ist mein Vetter. Er hat ein paar Klamotten in die Leichenhalle gebracht, damit sie die Knochen reinstecken können. Dort arbeitet ein Schwarzer, und mein Vetter sagt zu ihm: ›Den Knaben haben sie gelyncht, stimmt’s?‹ Drauf sagt der Schwarze: ›Yeah, und wahrscheinlich haben sie ihn mitten in der Nacht aus’m Bett gezerrt. Er hatte nich mal Zeit, sich die Stiefel zu binden oder ’nen Gürtel in die Hose zu stecken.‹«
»Was willst du mir damit sagen, Sam?«
»Ich erinner mich da an so was, ist lange her, vielleicht dreißig, fünfunddreißig Jahre.« Er tätschelte mit der einen Hand die andere, und seine Augen wurden trüb.
»Sag’s einfach, Sam.«
»Der Häher setzt sich nich ins Nest der Drossel. Beim Menschen seh ich das genauso. Der Herrgott hat schon einen Grund gehabt, daß er den Menschen verschiedene Hautfarben gegeben hat.«
Er schüttelte den Kopf vor und zurück, als versuche er, einen unangenehmen Gedanken loszuwerden.
»Du meinst doch nicht etwa eine Vergewaltigung, oder?«
»Die Weißen nennen’s Vergewaltigung, wenn’s ihnen so paßt«, sagte er. »Die sehen, was sie sehen wollen. Schwarze können nich so wählerisch sein. Die sehen, was sie sehen müssen. Da war so ein Schwarzer, nein, stimmt nich, der Kerl, von dem ich rede, ist ein Nigger, und der hat was laufen gehabt mit der weißen Frau, für die er gearbeitet hat. Und die Schwarzen haben’s gewußt. Die haben ihm gesagt, daß er’s
Weitere Kostenlose Bücher