Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Meilen langen Damm, verbargen sich im dunklen Schlickgrund Industrieabfälle jeder nur erdenklichen Art, die so giftig waren, daß es mittlerweile gesetzlich verboten war, im See zu schwimmen.
Ich fuhr die ganze Strecke bis zur Mississippibrücke bei Baton Rouge mit weit geöffneten Fenstern, die Hand auf der vibrierenden Plastikkugel der Gangschaltung. Dann rollte ich auf der erhöhten Straße oben auf dem Damm durch die Atchafalaya-Marsch und die warme Nachtluft, die nach schwefligem Schlamm und den Hyazinthen roch, die weiter hinten in den Bäumen blühten. Draußen hinter den zinngrauen Buchten zeichneten sich vor brennenden Sumpflichtern und der riesig dahingestreckten Landschaft von Schilf und unter Wasser stehenden Bauminseln die Silhouetten toter Zypressen ab. Riesige Gewitterwolken stolperten übereinander wie der zerfließende schwarze Rauch eines ausgehenden Feuers, und ein Netzwerk von Blitzen zerplatzte lautlos oben am Himmel im Süden. Ich glaubte Regentropfen im Wind riechen zu können, so kühl und sauber und durchdringend wie der Geschmack klaren Alkohols auf der Zungenspitze.
9
Die Pecanbäume vor unserem Schlafzimmerfenster standen reglos und grau, triefend vor Feuchtigkeit, im ersten Anflug der Morgendämmerung. Dann brach die rote Sonne durch den Baumhorizont in der Marsch wie ein Küchenstreichholz, das man am Himmel angerissen hatte.
Bootsie schlief auf der Seite liegend, in ihrem Nachthemd, die Konturen ihres Oberschenkels zeichneten sich unter dem Bettlaken ab. Ihr Gesicht wirkte kühl, und der Ventilator im Fenster bewegte ihr kastanienbraunes Haar auf dem Kopfkissen. Am frühen Morgen hatte ihre Haut immer einen strahlenden Glanz, wie das hellrote Licht in einer Rose. Ich zog ihren Körper an meinen und küßte sie leicht auf den Mund. Ohne die Augen zu öffnen, lächelte sie schläfrig, legte ihre Arme um meinen Rücken, öffnete die Schenkel ein wenig und drückte ihren Bauch gegen mich.
Ich glaubte draußen auf dem Bayou einen Barsch zu hören, der aus dem Wasser sprang, einen feuchten Bogen beschrieb und dann wieder eintauchte, mit der Schwanzflosse schlagend, als er tief zwischen die Wurzeln der schwimmenden Hyazinthen glitt.
Bootsie legte ihre Beine in meine, und ihr Atem war warm an meiner Wange, sie legte eine Hand an mein Kreuz, und ihr warmer Körper rollte gegen das Bett; dann fühlte ich, wie dieses herzzerreißende Ziehen in mir immer stärker wurde, bis ich es nicht mehr kontrollieren konnte, wie ein Damm aus Baumstämmen in einem Canyon, der einem reißenden Strom Widerstand leistet, bis er birst und in einer Sturzflut von weißem Wasser und aufgewirbelten Flußkieseln bricht.
Ich lag neben ihr und hielt eine ihrer Hände und küßte den dünnen Schweißfilm auf ihren Schultern.
Sie tastete mein Gesicht mit den Fingern ab und berührte sanft den weißen Fleck in meinem Haar, als erkunde sie zum allerersten Mal ein auffälliges körperliches Merkmal an mir.
»Alter Streak«, sagte sie und lächelte.
»Es gibt Cops, die haben schlimmere Spitznamen.«
Sie schwieg einen Augenblick, dann wiederholte sie meinen Namen noch einmal, diesmal mit einem Fragezeichen dahinter, wie sie es immer tat, wenn sie im Begriff stand, ein heikles Thema anzusprechen.
»Ja?« sagte ich.
»Elrod Sykes hat angerufen, während du in New Orleans warst. Er wollte sich dafür entschuldigen, daß er betrunken zu uns nach Hause gekommen ist.«
»Okay.«
»Er möchte mit dir zu einem AA-Meeting gehen.«
»In Ordnung, ich werd ihn noch mal drauf ansprechen.«
Sie blickte auf die flirrenden Schatten, die der Ventilator im Fenster auf die Wand warf.
»Er hat ein großes Boot gemietet«, sagte sie. »Er möchte eine Angeltour aufs Meer machen.«
»Wann?«
»Übermorgen.«
»Was hast du ihm geantwortet?«
»Daß ich erst mit dir sprechen müßte.«
»Du meinst, wir sollten nicht gehen?«
»Er beunruhigt mich, Dave.«
»Vielleicht hat er ja tatsächlich hellseherische Qualitäten. Das bedeutet nicht, daß er automatisch Ärger bringt.«
»Ich habe ein ganz seltsames Gefühl, was ihn betrifft. Als ob er Unheil über uns bringen würde.«
»Er ist praktizierender Alkoholiker, Boots. Er ist ein kranker Mann. Wie sollte er uns ein Leid zufügen?«
»Das weiß ich doch auch nicht. Es ist nur so ein Gefühl. Ich kann’s nicht erklären.«
»Glaubst du, daß er versucht, mich irgendwie zu manipulieren?«
»Wie meinst du das?«
Ich richtete mich auf einen Ellenbogen gestützt auf und blickte
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