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Im Schatten der Pineta

Im Schatten der Pineta

Titel: Im Schatten der Pineta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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haben. Was war es, Kokain?«
    Das Mädchen riss ihre großen Augen auf und fixierte ihn, ohne ihn wirklich anzusehen.
    »Woher weißt du …«
    »Entschuldige, aber diesmal muss ich dich unterbrechen. Wenn dein Bruder unter Mordverdacht im Knast sitzt, etwas, was einem normalerweise ziemliche Angst einjagt, und er ein Alibi hat, das ihn entlasten würde, von dem er aber nicht Gebrauch machen möchte, was sagt einem das? Dass er vor etwas anderem noch mehr Angst hat. Und wovor? Davor, was passieren würde, sollte er reden, das heißt, wenn herauskäme, wo er war, was er getan hat und mit wem er zusammen war. Ergo, da das, was er zur fraglichen Zeit getan hat, bestimmt nicht so schlimm war wie ein Mord, muss man kein Fermi sein, um zu kapieren, dass er Angst vor den Menschen hat, mit denen er zusammen war. Was kann er also getan haben, als Alina nicht aufgetaucht ist? Mit Menschen, vor denen er Angst hat? Korrigier mich, wenn ich mich irre.«
    Das Mädchen antwortete nicht. Als Massimo wieder begann, Geschirr in die Maschine zu räumen, drehte sie sich um und sagte: »Ich gehe.«
    »Schönen Tag noch.«
    Die Tür öffnete und schloss sich.
    Kurz darauf erklang die ironische Stimme Dr. Carlis: »Entschuldigung, ich suche das Kommissariat von Pineta. Man hat mir gesagt, es befinde sich hier.«
    »Da hat man Sie falsch informiert«, erwiderte Massimo, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. »Und Sie sind nicht der Einzige.«
    Das Gesicht des Dottore, das sich über den Tresen reckte wie ein Giraffenkopf über den Zaun eines Zoos, erschien vor Massimo und lächelte ihn an.
    »Ich kenne das Mädchen, das gerade hinausgegangen ist. Warum sie wohl hier war?«
    Schweigen.
    »Ihr Bruder sitzt unter Mordverdacht im Gefängnis.«
    Immer noch Schweigen.
    »Aber man hat mir gesagt, ein Typ, ein gewisser Inhaber einer Bar, sei felsenfest davon überzeugt, dass ihr Bruder unschuldig ist. Warum auch immer.«
    Ach was. Der Dottore seufzte und trug weiterhin eine ironische Miene zur Schau, doch dann schlug er einen ernsteren Ton an und sagte etwas lauter: »Was muss ich tun, um Sie aus der Reserve zu locken?«
    »Bestellen Sie doch einfach was. Denn das hier ist, wie Sie vorhin ganz richtig bemerkten, eine Bar.«
    »Und egal, was ich bestelle, ich bekomme es auch?«
    »Sicher. Wenn es im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt.«
    »Gut. Dann bitte einen Cappuccino. Mit extra viel Kakaopulver. War das ein Stöhnen?«
    »Genau. Ausdruck höchster Missbilligung. Neuer Versuch.«

    Nachdem er ihn zu einem Fruchtsaft überredet hatte, setzten sie sich draußen an einen Tisch in der Nähe Rotterdams. Kaum saßen sie, nahm Dr. Carli den Faden wieder auf.
    »Massimo, ich hoffe, Sie nehmen mir nicht übel, was ich Ihnen jetzt sage. Wie alle anderen weiß ich, dass Sie ein äußerst intelligenter Mensch sind und selten aufs Geratewohl daherreden. Also gehe ich auch in diesem Fall davon aus, dass Sie nicht irgendeinen Unsinn erzählt haben, der Ihnen gerade in den Sinn kam, sondern Ihre Gründe haben, wenn Sie jemanden, für dessen Schuld alle möglichen Indizien sprechen – ich rede bewusst nicht von Beweisen, denn darum handelt es sich ja nicht … Sie verstehen schon, worauf ich hinauswill, nicht wahr?«
    »Nein, ich verstehe nur Bahnhof. Versuchen Sie einfach, zwischendurch einen Punkt zu setzen. Helfen Sie mir.«
    »Was ich sagen wollte, ist Folgendes: Erklären Sie mir, warum Sie so sicher sind mit Ihrer Behauptung.«
    »Weil Punkte notwendig sind, um dem Gesprächspartner die Struktur eines Satzes verständlich zu machen. Das habe ich in der Grundschule gelernt, und was man mir dort beigebracht hat, beherrsche ich noch immer.«
    »Ich glaube, es ist jetzt nicht der richtige Moment, den Spaßvogel zu spielen. Wir sprechen von einem Mord und von einem Kerl, der womöglich unschuldig hinter Gittern sitzt.«
    »Genau. Und das hier ist nicht der richtige Ort, um über einen Mord zu reden, zumindest nicht, wenn es sich sozusagen um ein Ermittlungsgespräch handelt. Das hier ist eine Bar. Ich habe versucht, alles an geeigneter Stelle zu berichten, nämlich auf dem Kommissariat, aber der verantwortliche Leiter der Ermittlungen hat meine Erkenntnisse offensichtlich nicht einmal in Betracht gezogen.«
    Der Dottore zog die Augenbrauen hoch. »Sie waren also bei Fusco, und der hat sich nicht überzeugen lassen?«
    »Genau.«
    Dr. Carli schwieg einen Moment, um das Gesagte zu verdauen. Dann lehnte er sich bequem auf dem Stuhl zurück und sagte: »Hören

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