Im Schatten der Pineta
alles nur heiße Luft. Brustmuskeln aus Kartoffelstärke, da braucht’s nur einen ordentlichen Fausthieb, und sie klappen zusammen. Na ja, zumindest stimmt bei denen die Optik, und was ist mit dir? Seit zwei Jahren nimmst du dir vor, Mitglied im Fitnessstudio zu werden. Nur, dass es zurzeit viel zu heiß dafür ist, im Herbst fängt dann wieder Fußball an, und im Januar muss ich Diät machen, um den Weihnachtsspeck wieder loszuwerden, wie soll ich dabei ins Fitnessstudio gehen? Da kann ich ja gleich den Löffel abgeben, und das Thema wäre erledigt. Der Februar zählt sowieso nicht als richtiger Monat, im März wird es Frühling, und mir ist nicht danach, mich zu blamieren, und dann ist es schon wieder Sommer, und ich lauf immer noch mit Hängeschultern herum. Andererseits hab ich jahrelang studiert …
»Salve.«
»Ciao. Ich bin Massimo.«
»Dennis. Und das ist Davide«, sagte der Jüngere und zeigte auf seine Kopie, die mit einem Nicken grüßte. Gelgetränkte, zu lässigen Locken gemeißelte Frisur, große Sonnenbrille mit superleichtem Gestell und durchgängigem Brillenglas, dessen Form Massimo unwillkürlich an einen Hodensack erinnerte, dazu ein Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, das offen getragen wurde, um den Blick auf die enthaarte Brust freizulassen.
»Wollt ihr was trinken?«
Die beiden verneinten im Chor.
»Ich wollte euch fragen, ob ihr mir ein paar Auskünfte über die Öffnungszeiten der Disco geben könnt, wann sie wie stark frequentiert wird und dergleichen.«
»Auskünfte? Das heißt?«
»Informationen. Wann ihr aufmacht, ab wann die Leute hereinströmen, wann ihr zumacht. Mit anderen Worten …«
Massimo hatte vorgehabt, das Gespräch folgendermaßen zu eröffnen: Er habe beobachtet, dass es in den Küstenstädten neuerdings Mode sei, die Nacht ausklingen zu lassen, indem man nach der Disco gemeinsam in eine Bar zum Frühstücken gehe. Und da er wisse, dass die Gäste aus den Discos von Pineta – dem Imperiale, dem Negresses und dem Ara Panic – nach Pisa fahren mussten, wenn sie in einer Bar frühstücken wollten, weil um diese Uhrzeit noch keine der hiesigen Bars geöffnet hatten, wolle er diesen Service anbieten: Er habe vor, die Massen von Jugendlichen, die ausgelaugt und erschöpft aus den Discos krochen, mit einem ordentlichen Frühstück zu versorgen. Doch er musste den beiden dieses Lügenmärchen gar nicht erst auftischen, weil Dennis – oder Davide? –, ganz der Öffentlichkeitsarbeiter, sofort den Faden aufnahm und hervorsprudelte: »Also, ab Mitternacht geht’s richtig los, die DJs drehen die Musik auf, und die Mädchen an den Cubes wärmen sich schon mal ein bisschen auf. Draußen stehen die Leute inzwischen Schlange; aber es dauert bis circa eins, bis alle reingelassen sind. Wir schlendern mal drinnen, mal draußen herum, wo wir die Karten mit dem Programm der Themenabende verteilen. Die DJs hören um vier auf, und zwischen vier und halb fünf gehen die Leute.«
»Warum dauert es so lange, bis die Letzten gegangen sind?«
Die zwei sahen sich an, dann verstand Davide – oder Dennis? –, worauf die Frage hinauslief.
»Weil sie bezahlen müssen, nich? Die Leute zahlen beim Rausgehen. Folgendermaßen: Eintritt plus Mindestverzehr machen fünfundzwanzig. Beim Reingehen bezahlt man noch nichts; wenn man was zu trinken holt, bekommt man ein Kärtchen, auf dem draufsteht, was man hatte, und beim Rausgehen geht man damit zur Kasse und bezahlt. Es gibt drei Kassen, aber es dauert ein bisschen, bis man an der Reihe ist. An den Themenabenden kommen mehr als fünfhundert Leute. Im Durchschnitt so dreihundert.«
»Was sind denn Themenabende – wird da eine bestimmte Musik gespielt oder so?«
»Auch, klar. Manchmal Achtziger oder Hip-Hop, dann wieder nur Funk. Oder es sind besondere Gäste da: Dieses Jahr hatten wir schon ein paar Jungs von Big Brother bei uns und die Besetzung von Un posto al sole, dieser Soap. Zurzeit verhandeln wir mit Valentino Rossi. Vale sollte eigentlich zum Ende des Sommers kommen, aber er ist ziemlich chaotisch, weil er die vielen Fanklubs am Hals hat. Vor einer Woche war Roberto Farnese da, an dem Abend, als dieses Mädchen ermordet wurde. Mann, war das ein Krach …«
»Krach? Na ja, den müsstet ihr ja eigentlich gewohnt sein.«
»Ja, aber wenn Schauspieler der gerade angesagten Soaps da sind, wartet draußen immer ein Haufen schreiender Kids. Wir lassen die natürlich nicht rein, aber sie stehen drei Stunden herum, und wir müssen auf sie
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