Im Schatten der Pineta
meintest du also mit dem ›kurzen Abstecher zur Bar‹?«, sagte Tiziana. »Was für ein Heuchler du bist. Wie auch immer, ich kann nicht, weil ich noch was zu erledigen habe.«
»Sicher, du kannst natürlich auch Nein sagen, das ist dein gutes Recht. Ich seh mal schnell in meinem Adressbuch nach, irgendwo muss da die Telefonnummer von diesem Mädchen stehen, das letzten Sommer bei mir arbeiten wollte. Loredana, wenn ich mich richtig erinnere. Einen Augenblick, ich hab’s gleich. Ah ja, hier haben wir sie.« Er blickte kurz auf. »Ach, bist du immer noch da?«
»Massimo, ich muss noch einkaufen«, sagte Tiziana mit flehender Stimme.
»Es dauert nicht lange, Signorina, das versichere ich Ihnen.« Fusco sah sie schmachtend an und starrte weiterhin ungläubig auf ihre Brüste. »Es ist dringend.«
»Kann nicht Aldo hinter dem Tresen die Stellung halten?«
»Fehlanzeige. Die jungen Herren müssen nämlich zum Mittagessen nach Hause. Es wird allmählich Zeit. Und noch eine Bitte: Heute ist Mittwoch, und da kommen immer die PR-Heinis von den Discos, um ihre Flugblätter mit den Sonderangeboten auszulegen. Falls die vom Ara Panic auftauchen, während ich nicht da bin, sag ihnen bitte, dass ich mit ihnen sprechen muss.«
»Ja, Buana. Befehle haben auch für Baumwollernte?«
Massimo drehte sich hinter dem Tresen um, nahm die Hüfttasche von der Ablage und stopfte die Zigaretten und sein Portemonnaie hinein.
»Und schick mir bitte den Bocciaclub in die Mittagspause, ansonsten ist meine Großmutter sauer auf mich. Von mir aus können wir, Commissario.«
»Gut. Macht es Ihnen was aus, wenn wir zu Fuß gehen?«
»Klar macht’s mir was aus bei der Hitze. Aber ich weiß auch keine bessere Lösung. Nach Ihnen.«
Sieben
Als Massimo um halb drei, zwei Stunden später, zurückkam, dümpelte die Bar in der allgemeinen Trägheit vor sich hin, die sich wie stets nach dem Mittagessen breitmachte. An den Tischen im Freien malträtierten groß gewachsene Holländer und bebrillte Deutsche ihre Speiseröhren mit gefährlich dampfendem Cappuccino, den sie mit nahezu religiöser Andacht tranken. Nur hin und wieder wechselten sie einen blauäugigen Blick, ohne kaum die Lider zu heben, wie um zu sagen: Boah, ist das heiß.
Holländer, dachte Massimo. Früher blieben sie brav zu Hause. Nur ja nicht die Grenzen überschreiten, lautete damals die Devise. Doch seit einigen Jahren sah man hier, wohin man auch blickte, plötzlich lauter Autos mit gelben Nummernschildern und Dachsarg. (Alle, ausnahmslos. Und wer keinen hatte, dem drohte als Strafe wahrscheinlich eine Zahlung in Naturalien in Form eines gigantischen Käses.)
Drinnen hingegen brachten die Einheimischen den peristaltischen Prozess auf angenehmere Weise in Gang, und zwar mit einem Ritual, an dem man seit jeher die Italiener in einer Bar erkennen und dem man zu jeder Tages- und Nachtzeit überall auf dem Stiefel frönen kann, ohne mit den crucchi in eine Schublade gesteckt zu werden.
Mit anderem Worten: Sie tranken einen Espresso.
Die BarLume hatte zehn verschiedene Kaffees auf der Karte, denn als Italiener und obendrein Mathematiker schätzte Massimo dieses Getränk nicht nur außerordentlich, sondern war geradezu vernarrt darin: von einem Arabica aus handwerklicher Röstung, den er sich aus einer Rösterei in Seravezza kommen ließ (und den er jedem servierte, der einfach nur einen »caffè« bestellte), bis zu einem Caracolito aus kleinen, aromatischen Bohnen, der zu seinem Leidwesen nicht immer erhältlich, auf den er aber so stolz war, als hätte er ihn selbst produziert.
Nachdem er hinter den Tresen geschlüpft war, rief er Tiziana zu: »Alles klar?«
»Alles klar. Und bei dir?«
»Auch. Wir müssen vor dem Eingang Platz für den Krankenwagen machen.«
»Was?«
»Für den Krankenwagen. Gleich klappt uns einer dieser Westgoten wegen Verdauungsstörungen zusammen, weil er um halb drei nachmittags kochend heißen Cappuccino trinken muss. Über kurz oder lang wird es passieren, wirst sehen.«
»Ach, das ist doch eine fixe Idee von dir. Du kommst mir vor wie meine Mutter. ›Das ist nicht gut für die Verdauung, das macht Blähungen, das bringt Unglück …‹ Kannst du die Leute nicht einfach tun lassen, was sie wollen?«
»Nein, nicht hier. In anderen Bars von mir aus. Wenn hier jemand in der größten Mittagshitze einen Cappuccino bestellt, muss man ihn höflich, aber bestimmt darauf hinweisen, dass, auch wenn wir seinen Mut zu schätzen wissen, wir ihm nicht
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