Im Schatten der Vergeltung
Herz innerhalb kürzester Zeit einem anderen geschenkt? Philipp erkannte seine Verwirrung und beruhigte ihn: »Nein, es gibt keinen anderen Mann, Frederica ist aber äußerst eigenwillig und stolz, das hat sie von ihrer Mutter. Du hast ihr Vertrauen missbraucht und sie gedemütigt, es könnte durchaus sein, dass sie dich nicht wiedersehen möchte.«
Schnell ergriff Cedric seine Hand und bat mit flehendem Blick: »Ihr werdet doch für mich sprechen, nicht wahr?«
Philipp lächelte. »Mein Lieber, ich sehe du kennst meine Tochter nicht. Es ist einzig und allein ihre Entscheidung, ob sie dich noch will oder nicht. Ich habe darauf keinen Einfluss und werde sie zu nichts drängen.«
»Aber ...«
Mühsam, als wäre er in den letzten Stunden merklich gealtert, erhob Philipp sich.
»Frederica müsste in ihrem Zimmer sein. Ich werde sie rufen lassen und mich dann zurückziehen. Alles andere ist deine Sache.«
P hilipp hatte sich geirrt, Frederica war nicht in ihrem Zimmer. Seit Sonnenaufgang saß sie auf einem Felsen in der kleinen Bucht. Ihre verwundete Seele hatte ihr erneut eine schlaflose Nacht beschert, und so war sie beim ersten Morgenlicht hierhergekommen. Es war dieselbe Stelle, an der George ihr mitgeteilt hatte, er werde Pamela March heiraten. Wie lange war das her? Ein Jahr? Oh, erst ein Jahr! Es schien Frederica wie eine Ewigkeit. Was war in den vergangenen Monaten nicht alles geschehen! Sie erinnerte sich an den Tag der Hochzeit, an dem sie mit betrübtem Herzen aufgestanden und dann voller Licht und Liebe wieder zu Bett gegangen war, denn an diesem Tag war Cedric Collingford in ihr Leben getreten. Es waren ihr einige schöne, atemberaubende Monate voller Glück beschieden gewesen, bis Cedric sie ohne plausible Erklärung verlassen hatte. Zuerst hatte Frederica geglaubt, sie müsse an gebrochenem Herzen sterben, und hatte sich sogar nach dem Tod gesehnt. Dann war ihre Mutter erschienen und hatte ihr das Versprechen abgenommen weiterzuleben. Nun, sie lebte, ja. Sie war auch wieder gesund, hatte aber ihre frühere Vitalität und Kraft noch nicht wiedererlangt. Frederica hatte längst eingesehen, dass sie einem Fiebertraum erlegen war. Zwar einem sehr realistischen Traum, ihre Mutter war aber tot, und sie würde sie niemals wiedersehen.
Frederica dachte an die Linnleys. Sie konnte von Glück sagen, dass George sie nicht gewollt hatte. George hatte sich von seinem Vater losgesagt und wollte ihn nie wiedersehen. Die elegante Lady Esther hatte in aller Eile ihre Sachen gepackt und Cornwall verlassen, um den spärlichen Rest des Geldes, das ihr gehörte, vor den Gläubigern zu retten. Wenn das die Liebe in einer Ehe war – darauf konnte Frederica getrost verzichten. Lady Esther war es gleichgültig, was aus ihrem Mann nun werden würde. David Linnley erwartete das Gefängnis, denn wovon sollte er jemals die immens hohen Schulden bezahlen? Ihr Vater hatte angedeutet, dass viele lieber in den Tod, als in den Schuldturm gingen. Frederica hatte aufgeschrien und ihn gebeten, Linnley zu helfen, Philipp hatte aber nur den Kopf geschüttelt.
»Ich habe versucht mit ihm zu sprechen, er hat mir aber gar nicht zugehört. Lord David ist ein erwachsener Mann, wir können nichts für ihn tun.«
Als Frederica hinter sich Schritte auf dem Felsplateau hörte, drehte sie sich nicht um. Wer immer es sein mochte, sie wollte niemanden sehen und mit niemandem sprechen. Erst als eine ihr wohl bekannte Stimme leise ihren Namen rief, drehte sie den Kopf – und erstarrte!
»Mutter ...«, flüsterte sie. Nein, es konnte keinen Zweifel geben! Dieses Mal lag sie nicht fiebernd im Bett, und kein Kerzenlicht konnte ihr einen Streich spielen. Frederica spürte den Hauch des Windes und hörte das Rauschen der Wellen, die an den Strand schwappten. Wenn sie nicht irrsinnig geworden war – und Frederica zog diese Möglichkeit keinesfalls in Betracht –, dann stand ihre Mutter nur eine Armlänge von ihr entfernt. Wie in dem Traum trug sie wieder Männerbekleidung, und ihr Haar lockte sich kurzgeschnitten um ihr herzförmiges Gesicht. Jetzt kam sie langsam näher, streckte eine Hand aus, und Frederica spürte, wie die Berührung einer Feder gleich über ihre Wange glitt.
»Kind! Mein liebes Mädchen!« Maureen setzte sich neben sie.
»Träume ich wieder, oder was ist das für ein Spiel?«, stieß Frederica hervor. In diesem Moment konnte sie die Männer verstehen, die in aufregenden Situationen nach einem Glas Brandy oder Whisky
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