Im Schatten der Vergeltung
lechzten.
»Frederica, mein geliebtes Kind«, begann die Frau, die aussah und sprach wie ihre Mutter, es aber unmöglich sein konnte. »Was ich dir jetzt sagen muss, wird ein Schock für dich sein. Eines musst du als Erstes wissen: Ich habe dich immer mehr geliebt, als irgendetwas anderes auf dieser Welt, und ich liebe dich immer noch. Alles, was geschehen ist, geschah nur zu deinem Besten. Dein Vater und ich hatten immer nur dein Wohl im Auge. Darüber haben wir aber vergessen, dass du längst kein Kind, sondern eine erwachsene Frau bist.«
»Was willst du damit sagen?« Fredericas Stimme glich dem heiseren Krächzen einer verendeten Möwe.
»Ich bin nicht tot.«
Frederica starrte sie fassungslos an.
»Was meinst du damit? Bist du wirklich meine Mutter oder nur eine Doppelgängerin, die ein grausames Spiel mit mir spielt?«
Maureen sah sie traurig an.
»Frederica, Liebes, ja, ich bin deine Mutter und ich erlag in Schottland keiner Krankheit. Deine Großmutter Laura starb aber wenige Monate nach eurer Abreise, das ist richtig.«
»Warum bist du dann nicht nach Hause gekommen?«, rief Frederica verzweifelt. Sie glaubte, sich in einem Albtraum zu befinden und niemand kam, um sie zu wecken. »Warum habe ich, haben wir alle geglaubt, du wärst ebenfalls gestorben? Vater hat doch ein Schreiben von diesem Advokaten erhalten.«
Hilflos hob Maureen die Hände.
»Jetzt einfach zu sagen, es war der Wunsch deines Vaters, wäre billig, schal und nur die halbe Wahrheit. Ich verzichtete freiwillig auf dich, um dein Glück nicht zu zerstören. Du solltest darüber mit deinem Vater sprechen.«
»Das ist ein Traum, oder?«, fragte Frederica verwirrt.
»Leider nein. Oder glücklicherweise? Das musst du selbst entscheiden. Ich habe beschlossen, du musst die Wahrheit wissen. Nicht zuletzt, weil ich Schuld auf mich geladen habe. Schwere Schuld, die dich unglücklich gemacht hat.«
»Wenn du tatsächlich am Leben bist ... Warum kommst du denn erst jetzt? Wo warst du in den vergangenen Monaten?«
Maureen seufzte. Jetzt musste sie den schwersten Teil ihrer Beichte ablegen.
»Unwissentlich habe ich dein Glück zerstört. Du musst wissen, ich bin dafür verantwortlich, dass dein Verlobter dich verlassen hat. Ich kam in dem festen Glauben nach Cornwall zurück, du würdest George Linnley heiraten. Einzig darum habe ich getan, was ich tun musste, denn eine Verbindung mit Linnley musste unter allen Umständen verhindert werden.«
Frederica presste die Hände auf die Ohren. Sie wollte nichts mehr hören, wollte, dass diese Frau, wer immer sie war, verschwand. Für immer fortging! Sie konnte unmöglich ihre Mutter sein, denn eine Mutter zerstörte nicht das Glück ihrer Tochter. Was sie über George Linnley sagte, wollte Frederica nicht hören, es interessierte sie nur, was ihre Mutter mit Cedric Collingford zu schaffen hatte.
»Was meinst du damit, du hast mein Glück zerstört? Was weißt du darüber, warum Cedric mich verlassen hat?«
»Es war also zu keiner Zeit geplant, George Linnley zu heiraten?«, hakte Maureen nach.
»Nein, verdammt noch mal!«, brauste Frederica auf, das ihr sogleich einen Tadel einbrachte.
»Eine Dame flucht nicht, Kind! Wenn ich auch zugeben muss, du hast guten Grund dafür. Tatsächlich dachte ich, du wärst mit George Linnley verlobt, und ich habe dafür gesorgt, dass diese Ehe niemals zustande kommt. Wenn ich dir doch nur begreiflich machen könnte, wie leid mir das alles tut.«
Fassungslos starrte Frederica sie an.
»Was hast du getan? Du hast Cedric fortgeschickt?«
»Mehr oder weniger ... ja. Auch an Linnleys Bankrott bin ich nicht unschuldig.«
Fredericas Augen funkelten vor Zorn. Sie hatte plötzlich keinen Zweifel mehr, tatsächlich ihrer totgeglaubten Mutter gegenüber zu sitzen. Jede Geste, jedes Wort war typisch für Maureen Trenance.
»Warum?«
Maureen begann zu erzählen, erst stockend, dann immer fließender, ohne von Frederica unterbrochen zu werden. Sie beschönigte nichts, ließ nichts aus, denn das Mädchen war kein Kind mehr. Sie war alt genug, um die ganze schonungslose Wahrheit zu erfahren.
»Deshalb hättest du George Linnley niemals heiraten dürfen. Er ist möglicherweise dein leiblicher Onkel«, schloss sie erschöpft.
Keinen Moment zweifelte Frederica an dem Geständnis ihrer Mutter. Plötzlich ergab alles einen Sinn, es war aber ein grausamer Sinn, unter dem sie mehr gelitten hatte, als sie ertragen konnte.
»Und jetzt? Was willst du jetzt tun, nachdem alle
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