Im Schatten der Vergeltung
Philipp stöhnte und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. Aschfahl, mit zitternden Lippen bat er: »Gib mir einen Brandy! Schnell!«
Cedric tat wie geheißen und schenkte sich selbst ein Glas ein. Er konnte Philipps Verhalten weder verstehen noch einordnen. Versuchte er wirklich, noch länger die Lüge um den Tod seiner Frau aufrecht zu halten? Entweder log Trenance das Blaue vom Himmel herunter, oder es lag eine Verwechslung vor. Er neigte dazu, das Letztere zu glauben, denn das Entsetzen in Sir Philipps Augen konnte unmöglich gespielt sein.
»Entspricht es denn nicht der Wahrheit, dass Ihr Eure Frau in Schottland bei ihrer kranken Mutter zurückgelassen habt?«, fragte er, nachdem sie beide ihre Gläser mit einem Schluck geleert hatten. Philipp nickte, und Cedric fuhr fort: »Ist es ebenfalls richtig, dass Eure Frau im darauf folgenden Winter an einer Lungenentzündung starb?«
»Nein!«
Das Wort erbrach sich mit einem lauten Schrei aus Philipps Kehle. Zum ersten Mal hatte er es ausgesprochen, zum ersten Mal zugegeben, Maureen schändlich im Stich gelassen zu haben. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von seiner Stirn, und sagte dann schleppend: »Ich habe … der Tod meiner Frau … also, ich habe niemals erfahren, wo sie ist und ging davon aus, dass sie am Leben ist.« Er sah Collingford verzweifelt an. »Ich dachte sogar, Maureen wäre hier in Cornwall, ich kann sie aber nicht finden. Richtig ist, dass ihre Mutter, Fredericas Großmutter, in Schottland an einer unheilbaren Lungenkrankheit gestorben ist. Das haben meine Nachforschungen eindeutig ergeben.«
Verwirrt fuhr sich Collingford über die Augen.
»Warum ist Lady Maureen dann nicht wieder heimgekehrt? Warum habt Ihr allen gesagt, sie wäre gestorben?«
Philipp bat um einen weiteren Brandy und sagte leise: »Das, mein Junge, ist eine lange, eine sehr lange Geschichte.«
In aller Ruhe zog sich Collingford einen Stuhl heran und setzte sich neben Philipp.
»Ich denke, es ist an der Zeit, Euer Schweigen zu brechen, nicht wahr, Sir Philipp? Also erzählt, ich werde Euch zuhören.«
E s folgten qualvolle Stunden für Philipp, in denen er dem jungen Mann schonungslos die ganze Wahrheit gestand. Er beschönigte und verschwieg nichts.
»Da Frederica vollständig im Besitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte ist, gibt es für mich keinen Grund an ihrer Aussage, sie habe ihre Mutter gesehen, zu zweifeln. Darum bin ich überzeugt, Maureen ist zurückgekehrt und hält sich in unmittelbarer Nähe auf«, schloss er seinen Bericht.
Cedric Collingford streckte seine Beine, die im Laufe der vergangenen zwei Stunden taub geworden waren, von sich. Die beiden Männer waren lediglich einmal durch das Eintreten von Jenkins, derKaffee serviert hatte, unterbrochen worden. Collingford griff nach der Tasse, der Kaffee war aber inzwischen kalt und bitter geworden war, trotzdem nippte er daran, dann sagte er: »Die Frau, die mir mitteilte, sie hätte Lady Maureen bis zu deren Tod gepflegt und mir die Unterlagen über ihren Tod in dem Edinburgher Hospital zeigte, kann unmöglich Eure Frau gewesen sein. Sie war zu jung, vielleicht Mitte zwanzig. Welche Motive hatte sie jedoch, mir diese Lügen zu erzählen? Warum wurden die Seiten der Eintragung gefälscht, denn um eine Fälschung muss es sich ja auf jeden Fall handeln. Glaubt Ihr, Eure Frau steckt dahinter?«
»Ich kann nicht glauben, dass Maureen so etwas getan hat«, erwiderte Philipp. »Maureen hat ihre Tochter immer innig geliebt.«
»Um sich an Euch zu rächen?«, gab Cedric zu bedenken. »Verzeiht, wenn ich so offen spreche, Euer Verhalten war aber mehr als schändlich.«
Zornig schlug Philipp sich auf den Schenkel.
»Wenn Sie sich an mir gerächt hätte – ja, das könnte ich verstehen! Aber warum an Frederica? Warum an ihrem einzigen Kind?«
Cedric stand auf und ging langsam auf und ab.
»Es wird uns wohl nur eines weiterhelfen: Wir müssen diese seltsame Frau finden. Ich hasse es zwar, Frauen gegenüber Gewalt anzuwenden, wenn sie aber nicht freiwillig spricht, dann werde ich zur Not die Wahrheit aus ihr herausprügeln.«
»Cedric!«
»Verzeiht, Sir, aber beinahe wäre es dem Weib gelungen, mein Leben und das Eurer Tochter zu zerstören. Das darf nicht ungesühnt bleiben!« Entschlossen streckte er sein Kinn vor. »Habe ich trotz allem noch Eure Erlaubnis, Frederica zu heiraten?«
»Wenn sie dich noch will ...«
Cedric Collingford blinzelte überrascht. Hatte seine Liebste ihr
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