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Im Schatten der Vergeltung

Im Schatten der Vergeltung

Titel: Im Schatten der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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er sich Murdoch an. Und ich? Nun, die beiden hätten mich verspottet und verhöhnt, wenn ich mich gegen sie gestellt hätte. Für sie war ich nur ein verzogenes, unreifes Bürschchen, das lieber daheim an der Mutterbrust geblieben wäre. Ich wollte beweisen, dass ich trotz meiner Jugend ein Mann war. Wahrscheinlich wollte ich es in erster Linie mir selbst beweisen. Außerdem war das Mädchen sehr schön, und ja, ich habe sie begehrt, das will ich nicht leugnen.«
    »Warum wunderst du dich nicht, woher ich das alles weiß?«, fragte Maureen.
    Linnley zuckte mit den Schultern.
    »Ich habe alles verloren, was ein Mann in seinem Leben verlieren kann. Einmal in meinem Leben werde ich jetzt ein richtiger Mann und keine Memme sein und zu dem stehen, was ich getan habe. Ich weiß nicht, wie es sein kann, dass du hier mit mir sprichst. Zuerst dachte ich, du wärst ein Engel, der geschickt wurde, mich zu holen. Vielleicht bist du aber auch ein Geist der Rache?« Er nickte gedankenverloren, und fuhr dann entschlossen fort: »Vielleicht stehe ich auch am Rand des Wahnsinns. Es ist mir gleichgültig, ich möchte nur wissen: Werde ich drüben Murdoch und Foster begegnen?«
    »Linnley, rede keinen Unsinn!«, rief Maureen und verzog unwillig die Stirn. »Du bist jetzt zwar arm, aber immer noch am Leben, und ich bin weder ein Engel noch ein Geist. Warum und wieso ich heute hier bin, spielt keine Rolle. Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, dass du die Strafe für dein Verbrechen nun erhalten hast. Du wirst bis an dein Lebensende im Schuldgefängnis schmoren, oder musst mit deinen Händen hart arbeiten. Dadurch wird deine Schuld zwar nicht getilgt, du wirst sie aber sühnen.«
    Resigniert zuckte Linnley erneut die Schultern, Maureens Worte schienen ihn gar nicht erreicht zu haben. Seine Entscheidung war gefallen.
    »Ist es sehr vermessen, wenn ich noch einmal den Sonnenaufgang sehen möchte?«, fragte er. »Es war für mich immer der schönste Augenblick des Tages, wenn sich das Morgenlicht in den Wellen des Meers bricht. Möchtest du nicht solange bei mir bleiben?«
    Erstaunt sah er, dass Maureen – oder die Frau, die er für die tote Nachbarin hielt – plötzlich ebenso schnell verschwunden wie sie gekommen war. Vielleicht war sie eine Abgesandte des überirdischen Rechts gewesen, vielleicht auch nur ein Trugbild. Es spielte keine Rolle mehr für David Linnley.
    N ach einem kurzen Klopfen trat Jenkins in Philipps Arbeitszimmer und meldete: »Mylord Collingford wünscht Euch zu sprechen, Sir. Er wartet in der Halle.«
    Philipp knallte die Zeitung, in der er gerade gelesen hatte, auf den Tisch und sprang auf.
    »Wie kann er es wagen, mein Haus wieder zu betreten? Ich habe ihm nichts mehr zu sagen. Er soll sich zum Teufel scheren!«
    Frederica begann gerade, sich von der Enttäuschung, die Collingford ihr zugefügt hatte, zu erholen. Philipp würde es nicht zulassen, dass seine Tochter verletzt wurde.
    »Mit Verlaub, Sir, der Herr hat Eure Reaktion erwartet. Sir Collingford bat mich, wenn Ihr seiner Bitte um ein Gespräch ablehnend gegenüber stehen solltet, Euch Folgendes zu sagen: ‚Ich weiß, Sir Trenance hat jeden Grund, mich zu hassen. Trotzdem bitte ich ihn, den größten Trottel der Weltgeschichte für einige Minuten zu empfangen.«
    Unwillkürlich zuckten Philipps Mundwinkel. Ihn amüsierte auch das unbewegliche Gesicht des alten Dieners, dessen Distinguiertheit keinen Zollbreit wich. Gut, er würde ihm fünf Minuten geben! Mehr war nicht vonnöten, gleichgültig, was der junge Lord vorbringen würde – es gab keine Entschuldigung für sein Verhalten, Frederica kurz vor der Hochzeit sitzengelassen zu haben.
    Aufrecht hinter dem Schreibtisch stehend, erwartete Philipp den jungen Mann. Als Cedric den Raum betrat, kam Philipp ihm weder einen Schritt entgegen noch bot er ihm einen Platz oder eine Erfrischung an. Einzig ein kühles Kopfnicken signalisierte ihm, dass Philipp bereit war, ihn anzuhören. Lord Cedric kam auch gleich zu Sache.
    »Sir Trenance, ich danke Euch, dass Ihr mich nicht sofort aus Eurem Haus habt weisen lassen«, stieß er hastig hervor. »Ich weiß, keine Entschuldigung kann gut genug sein, mein abscheuliches und feiges Verhalten zu rechtfertigen.«
    Philipp zog eine Augenbraue hoch.
    »Erwartet nicht, dass ich Euch widerspreche«, sagte er kühl.
    Collingford nickte und senkte beschämt den Blick.
    »Ich werde auch nicht versuchen, irgendwelche banalen Floskeln für meine Verteidigung ins Feld zu führen.

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