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Im Schatten des Dämons

Im Schatten des Dämons

Titel: Im Schatten des Dämons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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fühlte sich wohl. Er konnte Tag und Nacht
lüften. Nicht mal Fliegen kamen herein.
    Kolbes Freund Tiggel war fast im selben
Alter, nämlich 24. Abgesehen von dem nervösen Tick, ständig mit dem einen oder
andern Mundwinkel zu zucken, konnte Kolbe den Typ ertragen. Was viel heißen
wollte. Denn der Blond-Schnurrbart war leidenschaftlicher Einzelgänger und
Menschenfeind.
    Tiggel benutzte ein duftendes Öl für
sein blauschwarzes Haar. Es klebte am Schmalschädel und glänzte. Sowohl die
oberen als auch die unteren Zähne standen nach vorn. Irgendwie wirkte das, als
hätte er ständig eine Kartoffel im Mund. Tiggel war gelernter Uniformmützenmacher,
hatte aber vor längerer Zeit umgesattelt auf Erpresser und Trickbetrüger, weil
er dabei mehr verdiente. Außerdem brauchte er keine 36-Stunden-Woche
abzusitzen, sondern kam locker mit der Hälfte aus.
    Das erhöhte Risiko nahm er hin.
    „Quatsch!“ sagte Kolbe schnarrend und
hart. „Du bist kleinmütig und einfallslos. Du kannst Omis ausnehmen, aber dir
fehlt der Drang zum Höheren. Zum ganz großen Coup.“

    „Ich weiß, was machbar ist.“
    „Weißt du nicht.“
    „Die Geldtransportfirma Knete-und-Manni
ist die sicherste von allen. Deshalb wird sie am meisten eingesetzt. Von
Banken, von Versicherungen, Juwelieren und Großbetrieben.“
    „Klar. Und wir können einen Riesenberg
Kohle mitnehmen. Mindestens eine Million. Vielleicht sogar zwei oder mehr.“
    „Geht nicht.“
    „Geht doch. Aber“, Kolbe hob die
geballte Faust bis in Augenhöhe, „Vorbereitung ist nötig. Vorbereitung von
langer Hand.“
    Er öffnete die Faust, um zu zeigen, was
eine lange Hand ist. Tiggel lachte auf, kurz und freudlos.
    Der linke Mundwinkel zuckte dreimal.
    „Von außen“, sagte Kolbe, „scheitert
jeder Überfall. Das ist richtig. Aber es gelingt, wenn einer der beiden
Geldtransport-Fahrer mitspielt.“
    „Dann gelingt’s immer. Aber wir kennen
keinen der Fahrer. Willst du einen anquatschen und fragen, ob er mitspielt?“
    „Ich werde einer der Fahrer sein.“
Kolbe grinste, wobei sich der blonde Schnurrbart sträubte.
    „Was?“
    „Und du legst den Hinterhalt. Ich mache
dann einen kleinen Fehler, verstoße mal kurz gegen die Betriebsvorschrift — was
ja vorkommen kann, denn irren ist menschlich, besonders in Streß-Situationen.
Eine der Türen geht also auf. Durch meine Schuld. Du machst uns nieder und
ziehst dir die Millionen unter den Nagel.“
    Tiggels Mundwinkel zuckten.
    „Ich denke, Bernd, du bist
Wohlfahrtspflege-Praktikant. Seit wann machst du auf Fahrer bei
Knete-und-Manni?“
    „Den Job bei der Wohlfahrt habe ich
aufgegeben. Irgendwann hätte sie mich ja doch rausgeschmissen, hähähäh.
Immerhin konnte ich erreichen, daß sie mir ein passables Zeugnis gegeben
haben.“
    „Machst also nichts momentan?“
    „Ich bereite vor — von langer Hand.
Versuche ja gerade, dir das zu erklären.“
    „Und wie wirst du Fahrer bei
Knete-und-Manni?“
    „Die suchen einen neuen Mann.“
    Tiggel lachte. „Und nehmen ausgerechnet
dich.“
    Kolbe ließ sich nicht beirren. „Fit muß
er sein. Keine Vorstrafen, vertrauenswürdig, nicht über 35.“
    „Genau wie du.“
    „Allerdings. Ich habe mich beworben. Übermorgen
soll ich mich persönlich vorstellen.“
    „Du meine Güte. Da sind dann mindestens
noch 100 andere Bewerber.“
    „Genau 42. Weiß ich von ‘ner
Büromieze.“
    Tiggel lachte zum zweiten Mal. „Na,
großartig. Der Job ist dir sicher.“
    „Allerdings!“ nickte Kolbe. „Weil ich
übermorgen der Held des Tages sein werde.“
    „Du?“
    „Jeder in der Stadt wird mein Gesicht
kennen. Und der Personalchef von Knete-und-Manni kann gar nicht an mir vorbei.“
    „Ahhhh“, dehnte Tiggel. Sein Mundwinkel
zuckte. „Du willst also was vorbereiten — von langer Hand.“
    „Allmählich kapierst du. Ich, Bernd
Kolbe, werde ein paar Dutzend Menschen retten — vor dem sicheren Tod.“
    „Einfach so?“
    „Du weißt doch: Voriges Jahr habe ich
als Hausmeister gearbeitet. In dem Geschäftshaus Frischmeier-Platz 4. Ärzte
haben dort ihre Praxen — und Zahnärzte, Anwälte und Steuerberater sind auch da.
Alles noble Leute. War vorhin erst dort — bei meinem HNO-Arzt Dr. Prunk.“
    „Waaas?“ rief Tiggel. „Bei dem war ich
auch. Aber nicht nur in seiner Praxis. Zum ersten Mal bin ich ihm im Knast
begegnet. Damals, als ich in der Landesstrafanstalt die sechs Monate abbrummen
mußte. Wegen Scheckbetrugs. Ich konnte plötzlich nichts mehr hören, hatte

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