Im Schatten des Dämons
total
verstopfte Ohren. Dr. Prunk versorgt die Knastis, wenn denen was fehlt — an
Hals, Nase oder Ohren. Mir hat er die Löffel durchgespült. Dann“, er lachte,
„habe ich ihm die Treue gehalten. Wegen meiner zu engen Nasengänge bin ich
jetzt bei ihm in Hypnose-Behandlung.“
Kolbe hob die Brauen. „Ich werde auch
mit Hypnose behandelt. Ist wissenschaftlich der neueste Wahnsinns-Trip.“
„Ja, man fühlt sich hinterher wie ein
anderer Mensch.“
„Jedenfalls“, sagte Kolbe, „gehört das
Haus am Frischmeier-Platz zu meinem Plan.“
„Und wie?“
„Als ich damals den Hausmeisterjob
aufgab, habe ich mir Nachschlüssel gemacht. Von Eingangs- und Hintertür. Ich
kann also rein und raus, wann ich will. Jetzt habe ich festgestellt, daß
Geschäftsräume im Erdgeschoß leerstehen. Vorher war dort die Praxis von dem
Orthopäden (Arzt für Bewegungsorgane) Dr. Krückenmacher. Aber der hat
sich bei einem Unfall das Genick gebrochen. Dagegen gibt’s noch kein Mittel.“
„Und?“
„Die leere Praxis ist genau der
richtige Platz. Morgen wird sich dort eine Bombe befinden. Ein großer Karton
mit genug Knallkraft drin, um das ganze Gebäude in die Luft zu blasen.“
„Ich denke, du willst die Leute retten
und nicht auslöschen.“
„Niemand wird ausgelöscht. Der
Bombenanschlag geht natürlich auf das Konto einer politischen Terrorgruppe. Die
Spinner bomben wieder. Glaubt jeder. Grund dafür gibt es immer. Wer ist schon
zufrieden mit den politischen Zuständen? Nur die Politiker selbst. Höchste
Gefahr also für das Haus Frischmeier-Platz 4. Aber die Explosion findet nicht
statt. Denn Bernd Kolbe, meine Wenigkeit, verhindert den Anschlag.“
„Aha.“
„Du wirst es erleben. Ganz zufällig
belausche ich einen Typ, wenn er in der Telefonzelle anderen Typen
Vollzugsmeldung macht. Mit genauer Angabe von Adresse und Zeit. Haarklein werde
ich bei den Bullen den Typ beschreiben — auch behaupten, daß ich ihn jederzeit
wieder erkenne. Aber dazu wird’s ja nicht kommen.“
„Du sorgst also dafür, daß die Bombe
entschärft wird.“
„Das wäre nicht dramatisch genug.“
„Sondern?“
„Außerdem weiß ich doch nicht, wooo im
Haus sie sich befindet. Ich komme in letzter Minute. Soll ich vielleicht die Leute
gefährden, indem ich da rumsuche? Wäre ja unverantwortlich. Nein! Es wird sogar
so knapp, daß ich nicht mal von Praxis zu Praxis laufen kann, um alle zu
warnen. Nein! Ich bleibe an der Haustür. Ich drücke auf sämtliche
Klingelknöpfe. Sozusagen mit Händen und Füßen. Durch die Gegensprechanlage
schlage ich Alarm. Alle hören mich. Sollst mal sehen, wie schnell die auf der
Straße sind.“
„Und das Haus?“
„Das stürzt ein.“
„Du bist... Das geht doch nicht.“
„Wieso nicht?“
„Ich muß noch ein paarmal zu Dr. Prunk.
Wegen meiner engen Nasengänge. Außerdem macht es Spaß, wenn er mich
hypnotisiert.“
Kolbe stöhnte auf, lehnte sich im
Sessel zurück und sah zum Fenster hinaus.
Von dem schattigen Hinterhofschacht
drang kühle Luft herein. Eine Wohltat an einem Tag wie heute.
Im nächsten Moment zerriß ein
Donnerschlag die bleischwere Stille über der Stadt.
Eine schwarze Gewitterfront hatte die
Sonne verhüllt. Jetzt peitschte heißer Wind um die Hausecken, und Regentropfen
fielen — so groß wie Seifenblasen.
„Was willst du“, sagte Kolbe, „zwei
Millionen? Oder deinen Spaß bei Dr. Prunks Hypnose? Deine Nase kann auch jeder
andere HNO-Klempner behandeln.“
„Hast recht. Klar. Wir opfern das
Haus.“
„Ein dramatischer Vorgang“, Kolbe rieb
sich das Kinn. „Die Menschen werden gerettet durch mich, aber das Haus fällt
zusammen. Plaaatsch! Wenn das nicht wirkt, Manfred. Ich glaube, die Zeitungen
werden mich auf der ersten Seite bringen. Wenn ich damit bei Knete-und-Manni
auftauche, müssen sie die anderen Bewerber nach Hause schicken.“
„Ein großartiger und sehr intelligenter
Plan“, lobte Tiggel. „Gut vorbereitet von langer Hand — so kommen wir ran an
die Millionen. Hast du die Bombe schon?“
„Ja. Aber noch nicht bezahlt.“
„Du hast sie von jemanden, der...“
„Von einem Profi.“
„Und der gibt dir Kredit?“
„Nur bis heute abend 20 Uhr. Dann muß
ich 3000 Mark auf den Tisch blättern.“
„Hast du die Kohle?“
Kolbe lachte. „Ich habe noch 180 Mark.“
„Ja, und?“
„Den Rest besorge ich mir.“
„Einfach so.“
„Von meiner Tante. Johanna Demschlag
wohnt in der Hebelstraße, sechster Stock, sehr vornehm. Sie
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